Wenn ich meinem Umfeld signalisiere, dass es mir mal wieder nicht so gut geht, weil der schwarze Hund halt nie ganz auszieht, höre ich hin und wieder auch den Ratschlag „Ruh dich doch mal aus“. Nette Idee, kommt für mich gleich nach „geh doch mal in die Sonne“ oder „lach doch mal wieder“. Die Ruhe ist manchmal die lauteste Form einer Depression oder Angststörung.
Zu viel Zeit zum Nachdenken bedeutet, die Gedankenspiralen, die Ängste und Sorgen werden wieder lauter. Was könnte mit dem Haus alles passieren? Wie werden die Kinder weitermachen? Werden sie ale erfolgreich oder was viel viel wichtiger ist, werden sie alle glücklich sein. Was haben meine verdammte Krankheit und ich ihnen an Ballast mitgegeben? War da vielleicht auch irgendwas gutes dabei?
Früher war meine Taktik oft, mein Gadgethobby auszuleben, weil das zumindest je Gadget für ein paar Wochen Abwechslung brachte. Meine Kinder nennen mich oft scherzhaft die lebende Wikipedia. Liegt am gleichen Grund. Immer wenn die Gedanken zu dunkel wurden, versuchte ich mich dammit abzulenken, etwas neues zu lernen. Astronomie, Aikido, Malerei, Literatur, Künstliche Intelligenz (auch das zu studieren lenkte schon von dunklen Gedanken ab) Psychologie, Biologie, Pflanzenkunde,Liebe (machen), das könnte ich noch ewig so weiter machen.
Irgendwann gehen aber die Themen aus, irgendwann fällt man dann doch auf sich zurück und wenn es dann still ist, dann wirds kritisch. Ich höre gerne Musik und viel. Aber eben auch, weil ich die Stille nicht ertrage, weil das Alleine sein bei mir in diese Dunkelheit geführt hat.
In der Schule war ich der Außenseiter, den alle gemobbt haben, zumindest bis ich der erste mit einer Freundin war und in eine Klasse gewechselt hab, in der die Außenseiter das neue Normal waren.
Ich habe gelernt, dass alleine sein einerseits ein mir lange Zeit sehr vertrauter Zustand war, andererseits mich in vieles reingeritten hat. Sehnsucht nach Anerkennung gepaart mit einer enormen Angst, zu enttäuschen, etwas falsch zu machen, können einen zum begnadeten Liebhaber machen ebenso wie zum extrem harmoniebedürftigen Partner, der jeden Konflikt scheut. Man entscheidet mit dieser „Erblast“ vieles nach dem Risiko, enttäsuscht zu werden, vertraut selten und eigentlich nie ganz.
Sibylle hat etwas geschafft, was sonst niemand in meinem Leben erreicht hat. Bei ihr sind alle Schutzmauern des Misstrauens gefallen. Das war das große Glück im damaligen lebensbedrohlichen Unglück.
Dennoch, Ruhe haben mag anderen gut tun. Für mich ist es all zu oft eher eine Gefahr als die Lösung.
Lasst mir meine Ruhe ist nicht unbedingt ein Wunsch, den ich oft ernst meine.