Nie genug

Vor dem Aufenthalt in mehreren Psychiatrien nach „dem Ereignis“  sah ich mich immer als nicht genug, nicht gut genug, nett genug, strebsam genug, intelligent genug. Da half es auch nicht, bei vielen dieser Punkte von meinem Umfeld das Gegenteil zu hören, Beziehungen aufzubauen, geliebt zu werden oder einen Hochschulabschluss zu erreichen und in der Forschung tätig zu sein.

Man nennt es das Vortäuscher Syndrom und das hätte mich fast das Leben gekostet. Weil ich als Kind nie wirklich gewollt oder geliebt wurde. Irgendwann fand ich mich damit ab und suchte Bestätigung und Zuneigung in dem, was ich tat. Und das musste immer besonders sein und darin wollte ich es zu Perfektion bringen. Meine Leidenschaft für Computer und Programmierung ließ mich ganze Nächte wach bleiben. Dennoch waren die Erfolge daraus (ein Preis für das beste Spiel und eine weitere noch größere Veröffentlichung in einer Computerzeitung) für mich stets glückliche Zufälle und nichts, was mich nachhaltig resilienter machte. Ich war in meinen Augen nie gut genug, wohl, weil ich das in den Augen vor allem meiner Mutter nie war. Alles, was ich an gutem im Kontakt mit anderen Menschen erlebte, wurde schlecht gemacht oder gar verboten.

Exemplarisch nur kurz die „Drucker“ Geschichte. Nachdem ich einen Preis für ein selbstgeschriebenes Spiel bekommen hatte, wollte ein guter Freund das auch versuchen. Allerdings mussten damals Computerprogramme noch auf Papier gedruckt zu den Zeitschriften gesendet werden. Ich hatte einen Drucker, er noch keinen. Also bot ich ihm an, sein Programm bei mir zu drucken.

Das klappte auch, aber meine Mutter bekam Wind davon und behauptete felsenfest, er habe mir ein Programm gestohlen und es als seines ausgegeben. Ich würde also lügen, als ich ihn verteidigte. Und das wurde zum Motto, entweder ich dachte oder handelte wie meine Mutter es wünschte oder ich war ein Lügner oder Versager.

Wer behauptet, man könne niemanden vollständig hassen, der kannte meine Mutter rnicht.

Dadurch wurde ich zum Perfektionisten, zum Kontrollfreak, weil etwas, sobald meine Mutter es in die Hand nahm, kaputt war, oder vorbei. Und dieses Muster zog sich durch den Rest meines Lebens. Niemals genug sein, niemals jemanden gänzlich vertrauen.

Bis heute gibt es nur einen Menschen, der ich vollständig vertraue und das ist meine Frau Sibylle. Aber es musste erst fast tödlich enden, bevor dieses Vertrauen entstand. Denn sie hielt in der dunkelsten Zeit meines Lebens zu mir und hat mir wortwörtlich das Leben gerettet.

Als dann das Buch entstanden ist, ich zu Vorträgen eingeladen und mit positivem Feedback konfrontiert wurde, in TV Sendungen auftreten durfte, erst dann wurden ein paar der weit offenen Wunden ein wenig geheilt. Ich bin noch weit davon entfernt, wirklich mit mir im Reinen zu sein. Aber einiges kann ich heute akzeptieren oder sogar als selbst erreichten Erfolg werten.

Aber noch bin ich weit von dem entfernt, was Frieden mit sich selbst oder Resillienz angeht. Was anders ist, ich kenne meine Dämonen und kann versuchen, gegen sie vorzugehen. Gelingt immer öfter aber gefühlt noch nicht oft genug. Und die Angst, dass irgendwas schreckliches passiert (was sich früher meist „Mutter“ nannte), wird weniger, aber sie ist manchmal noch bedrohlich dominant da. Auch das etwas, dass ich mir lange Jahre und viele Konflikte mit meiner Mutter lang angeeignet habe und was nun sehr schwer loszuwerden ist. Auch das will ich vollständig eliminieren.

Verdammt, schon wieder der Perfektionist.

Ein Wort zum Abschluss: Wer glaubt, andere Menschen mobben oder niedermachen zu dürfen, dem sei gesagt, es kann passieren, dass man dann ein Menschenleben auf dem Gewissen hat. Auf jeden Fall ist man aber ein ganz großes Ar…..ch und was ich solchen Menschen wünsche, ist besser nicht hier niedergeschrieben.

Und nochmal. Wer sagt, man könne keinen Menschen so vollständig hassen. Doch, geht. Auf die Frage meines Therapeuten nach dem Verhältnis zu meiner Mutter heute war meine Antwort „Gut, sie ist tot.“ Und das war nicht sarkastisch gemeint.

Und wer meine Geschichte im bewegten Bild kennenlernen will, es gibt nach wie vor Mitschnitte der Sendung unter anderem hier:

Das Buch gibt es leider nur noch gebraucht oder als eBook aber da ja Elon der Schreckliche Twitter eh getötet hat, passt meine Geschichte auch nicht mehr ganz in die aktuelle Zeit.
Wer trotzdem Interesse hat, es ist als eBook noch überall zu haben.