Der Graben quer über die Straße war frisch ausgehoben worden. Metallplatten überdeckten die Mulde, damit Autos und eben auch ich mit meinem Fahrrad dennoch die Straße nutzen konnten. Fatal, vor und nach der Metallplatte war Schotter gestreut, um die Kante abzuschwächen. Etwas von diesem Schotter war aber mittlerweile auf die Platten gerutscht und mein Rad rutschte genau wegen dieses Schotters weg. Ich konnte es wieder einfangen aber nicht mehr der Warnbarke ausweichen, die auf der Straße in der Kurve vor der Baustelle warnen sollte. Trotz Vollbremsung prallte ich auf die Barke, stürzte und blieb mit Acetabulumfraktur und Radiusköpfchenfraktur sowie disloziertem Finger liegen. Oder übersetzt: Aua, Mist, Hüftschale gebrochen und viel Schmerz.
Gott sei Dank hatte der Hausmeister eines in Sichtweite gelegenen Altenheims alles beobachtet, half mir und benachrichtigte einen Krankenwagen. Damit landete ich erst mal für die nächsten zwei Wochen im Krankenhaus, wo meine Wunden versorgt und der Hüftbruch operiert wurden.
Jetzt bin ich wieder zuhause, mit Rollstuhl und Achselkrücken, da ich mein Bein erst mal 6 Wochen nicht belasten darf, bzw. maximal abrollen. Und man merkt sehr schnell, wie die Muskeln abbauen, wenn sie nicht genutzt werden.
Das überraschende an der ganzen Geschichte. Mir geht es mental so gut wie schon lange nicht mehr. Und das, obwohl ich im Moment weder mein Antidepressivum noch meine Angstmedikation einnehme. Aber vielleicht ist es einfach das Bewusstsein, dass das Ganze hätte viel schlimmer enden können.
Alles wird mehr oder weniger gut verheilen, es braucht Zeit, viel Zeit aber dann geht vieles wieder alleine und ich h ätte durchaus viel schlimmere Verletzungen davon tragen können. Man sagt, es gibt Ereignisse, die führen einem vor Augen, was wirklich wichtig ist.
Dieser Unfall war so ein Ereignis für mich. Ich habe bereits einiges geändert und werde noch einiges ändern. Den Uwe vor dem Unfall gibt es nicht mehr und wird es auch nicht mehr geben.
Eine Sache hat mich dann doch etwas negativ berührt. Virtuell habe ich wohl einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Aber real war außer der Familie nur ein ehemaliger Arbeitskollege da und hat mich besucht, da er gerade in der Nähe in einem Pflegeheim war.
Ich muss wieder realer werden, virtuelle Freundschaften sind wertvoll aber ich habe mich in der Vergangenheit zu sehr von direkten sozialen Kontakten zurückgezogen und das muss wieder anders werden. Leider falle ich wohl noch für die eine oder andere Veranstaltung aus, aber ich werde wieder mehr raus gehen, mehr auf die ehemals so geliebten Barcamps kommen und auch sonst wieder virtuell UND real verfügbarer sein. Es hat sich schon komisch angefühlt, wenn dein Zimmernachbar, der mit dem Motorrad verunglückt war fast den ganzen Tag Besuch hat und du selbst fast ausschliesslich von der Partnerin, deren Besuch mich zwar sehr motiviert und gefreut haben, die aber den Tag nur maximal 30 Minuten bis eine Stunde ausfüllen konnten.
Nicht, dass mich die überwältigende Menge an Genesungswünschen nicht gefreut hätten. Genau genommen dachte ich, dass ich im virtuellen Raum als Verunglückter und Krankenhausinsasse gar nicht mehr vorkommen würde. Das Gegenteil war der Fall, der Support war groß und auch das Interesse an mir als Person und Betroffenem. Aber real, da hat halt was gefehlt. Das tat schon ein klein Bisschen weh, aber es machte mir auch sehr schnell klar, dass ich da einen bedeutenden Anteil daran hatte und habe. Corona hat es viel zu leicht gemacht, sich ins virtuelle zurückzuziehen und ich habe das definitiv übertrieben.
Jetzt heißt es erst mal ganz gesund werden, was sicher noch bis Juni dauern wird und dann gilt es, das Virtuelle wieder etwas mehr ins Reale zu transferieren. Der Mensch lebt nicht vom Netz allein.
Und ein riesengroßes Dankeschön allen, die mich im Diakoneo Klinikum so super versorgt haben. Das ganze Personal war sehr nett und ich habe mich wirklich gut versorgt gefühlt. Danke! Ihr macht einen tollen und extrem wichtigen Job!