Eine Erinnerung aus meiner Zeit in den Klinik hat sich mir durch meine Therapien und die Erkenntnis eingeprägt:
Wie viele Masken ich einmal getragen habe.
Wenn du psychisch krank bist, setzt du zwangsläufig Masken auf. Du wirst gefragt, wie es dir geht, antwortest wahrheitsgemäß „Nicht gut“ und erlebst, wie die meisten Menschen dann einfach das Thema wechseln oder das Gespräch abbrechen. Spätestens beim dritten Mal sagst du dann „Gut“ und setzt die erste Maske auf. Dazu kommen dann die „braver Arbeitnehmer“ Maske, die „stets hilfsbereiter Freund“ Maske und und und.
Als ich in der Therapie dann die Aufgabe bekam, versuchsweise alle Masken zu entfernen, blieb nach der letzten Maske nichts mehr von mir selbst übrig.
Ich existierte als eigene Person quasi nicht. Ich hatte die ganzen Jahre die Wünsche und Vorstellungen anderer von mir gelebt.
Selbst mein Studium der CL&KI, die Informatik, meine Leidenschaft fürs Programmieren, alles nicht wirklich echt. Sicher, ich kann Software entwickeln und ich mag den Umgang mit Technologie. Aber mein Herz hat immer schon etwas anderes gewollt. Erst vor kurzem erinnerte ich mich wieder an einen Eignungstest beim Arbeitsamt, damals, kurz nach dem Abitur.
Der Tester meinte nach Sichtung der Ergebnisse, der Test müsse wohl kaputt sein. Bei mir kam extrem deutlich als Ergebnis entweder Kunstmaler oder Autor.
Beides waren damals Herzenswünsche, aber beides auch Lebenswege, die mir in meiner Angst und unter meinen Masken viel zu gefährlich, viel zu unsicher vorkamen. So tat ich, was meine Eltern sich vorstellten, begann mit BWL und Informatik. Gut, die BWL hab ich mangels Talent schnell gelassen, auch dank einer guten Studienberaterin, die mein Unglück erkannte, und mir zum Wechsel riet. Aber unterschwellig war da immer das Gefühl, das bin nicht wirklich ich. Erst nachdem ich eingeliefert wurde, nachdem mein Leben gefühlt völlig ruiniert war, wagte ich das vorher undenkbare, als sich mir die Chance bot. Ich nahm das Angebot an, ein Buch über meine Geschichte zu schreiben.
Ich kann nicht wirklich in Worte fassen, was das für mich auch heute noch bedeutet, wie sehr das mein Leben gewandelt hat. Heute trage ich kaum mehr Masken, nur noch da, wo es unbedingt angeraten ist. Ansonsten bin ich, wenn meine Depression mir den Raum dafür lässt, so glücklich wie selten zuvor.
Und ich tue, was mein Herz mir sagt. Sicher, davon kann ich nicht leben, aber ich kann daraus jetzt Kraft schöpfen, ich kann mich mit Texten befassen, male auch wieder und habe erkannt, wie sehr ich all die Jahre anderer Menschen Leben gelebt habe.
Ich weiß, ich soll nicht im Zorn zurückblicken, aber ein bisschen traurig macht es mich schon, dass erst ein Suizidversuch mich dazu brachte, umzudenken, mein Leben für mich selbst neu zu definierfen.
Von den zwei Pfaden habe ich lange Jahre den ausgetretenen gewählt. Erst in der Therapie hab ich den Weg zurück gesucht, um die falsche Abzweigung zu finden, die mich auf diesen fatalen Weg geführt hat. Ich denke, ich hab sie gefunden und bin jetzt viel überlegter, welche Abzweigung ich auf meinem weiteren Weg wähle. Denn ich habe gelernt, es kann schneller das Ende des Pfads kommen, als wir es uns vorstellen. Und wenn ich am Ende meines Pfades bin, möchte ich wenigstens sagen können, dass es mein eigener Weg war, nicht eine Karte, die andere für mich vorgezeichnet haben.