Nein, heute gerade mal nicht, aber es ist nicht so, dass ich durch meine Therapien und das Buch plötzlich keine dunklen Gedanken mehr habe, keine Ängste.
Sie sind mir aber vertrauter als früher, berechenbarer, kontrollierbarer. Auch meine Suizidgedanken sind nicht gänzlich weg. Niemand braucht sich aber deshalb erschrecken oder Sorgen zu machen.
Sie sind jetzt so etwas wie ein guter Freund, der mir signalisiert, wann ich wieder zu übertreiben drohe. Immer, wenn ich wieder zu viele Schuldgefühle zulasse, wenn ich mich mal wieder für wertlos, belanglos, hoffnungslos halte, dann kommen diese Gedanken und ermahnen mich: „Uwe, denk nach, das sind nur Bilder von dir, die man dir in der Vergangenheit eingepflanzt hat, das bist nicht du.“
Auch wenn manche mir sagen, nein, mich zu dem Glauben zwingen wollen, man könne Depressionen komplett heilen. Meine Sicht ist eine andere. Ich hab meine Krankheit weitestgehend im Griff und das genügt mir. Ich bin mir mittlerweile fast sicher, dass auch ein großer Teil meiner Kreativität, meiner Gab zum Schreiben und Erzählen von Geschichten aus der Depression und den Ängsten entstanden ist.
Geschichten waren immer auch eine Flucht aus einer Welt, die mir immer wieder, teils unbeabsichtigt, teils im vollen Bewußtsein der Folgen Schmerzen zugefügt hat, mich versucht hat, klein zu machen, zum Schweigen zu bringen.
Ich erinnere mich immer noch an den Satz, als Reaktion auf meinen Weg, an die Öffentlichkeit zu gehen: „Aber Herr Hauck, sie wissen schon, dass sie dann das Gesicht der Krankheit sind.“ Ich habe schon damals erwidert: „Das ist dann gut so. Ich hab sie viel zu lange versteckt.“ Und mal ehrlich, ich bin bei weitem nicht das Gesicht der Depression, da gibt es viel prominenter Menschen, die aufklären, die entstigmatisieren. Ich bin da nur ein kleines, ein bisschen talentiertes Rad.
Mein Weg ist noch lange nicht vorbei, es wird noch viele Hürden und Hindernisse geben. Was sich aber entscheidend geändert hat: Es ist mein Weg, nicht mehr der Weg anderer, die angeblich so gut wussten, wie es mir mit meiner Krankheit geht und mich damit letztlich auch immer mehr über die Kante gejagt haben. Nein, die Menschen, die sich mir gegenüber wohlwollen gaben, waren viel zu oft eher egoistisch, selbstherrlich und ignorant.
Das sind sie auch heute noch aber ich gebe mittlerweile einen Scheiss auf ihre Meinung, ihre Weltsicht, ihre Sicht auf mich.
Und DAS befreit.
Und wenn es mir mal wieder zu schlecht geht, dann helfen mir meine Leser, meine Follower, meine Gäste auf meinen Lesungen. Denn jedes Mal, wenn ich meine Geschichte erzähle, bin ich wieder erstaunt, dass ich noch da bin. Das ist vielleicht das größte Geschenk, das mir meine Geschichte gemacht hat. Sie hat mir wieder Sinn gegeben. Rein durch meine Existenz.