TecChannel schreibt: Straffe Regeln demotivieren Mitarbeiter. Bei der Nachricht könnte ich quasi an der Reaktion meines Gegenübers ablesen, wo diese oder dieser in der Hierarchie steht. Der „normale“ Mitarbeiter wird wissend nicken, während die bereits aufgestiegene sogenannte Führungskraft sich verblüfft geben wird (wobei ich wette, innerlich nickt auch hier die Mehrheit). Denn mal ehrlich. In vielen Unternehmen gelten Umgangsformen und Regelungen, die mehr an die Schulzeit mit Zeugnissen und Bestrafungen erinnern, als an einen erwachsenen Umgang miteinander. Da werden nicht nur Ziele miteinander vereinbart, sondern nach bestimmten Intervallen diese Ziele wie in einem Schulsystem abgefragt und deren Ergebnisse in der Personalakte hinterlegt (erinnert nur mich das an Schulzeugnisse)? Da werden Mitarbeiter in Projekte gesteckt, ohne sie wirklich zu fragen oder es werden Auswahlprozesse angestossen, mit Experten besetzt, deren Ergebnisse dann durch eine Präferenz einer höheren Instanz einfach überschrieben werden. Mitarbeiter werden in ihrem Surfverhalten überwacht (Führungskräfte seltsamerweise oft nicht) oder es wird vorgeschrieben, was auf dem persönlichen Arbeitsplatz nicht zu stehen hat und was dort „geduldet“ wird. Ja ich habe in meinen Beratungen sogar schon von Mitarbeitern gehört, dass sie in ihrer Arbeitsmethodik kritisiert wurden, weil diese nicht der Erwartungshaltung ihres Vorgesetzten entsprach (hab ich aber auch schon im Laufe meines bisherigen Arbeitslebens erlebt, Gott sei Dank bei mir ein Einzelfall).
Wie kann aber ein Unternehmen überhaupt vom Mitarbeiter als Mitunternehmer sprechen, wenn es diese oder diesen nicht auch wie einen erwachsenen Menschen behandelt. Es mag manchen überraschen, aber wer zu stark kontrolliert, der erreicht das Gegenteil und das in mehrfacher Hinsicht. Denn dann werden die Mitarbeiter zum einen immer mehr damit beschäftigt sein, die Kontrollinstrumente möglichst positiv zu befüttern (wohlgemerkt, positiv, nicht ehrlich, ich erinnere nur an die berühmte rote Ampel, die dann in der Vorstandsetage plötzlich grün ist) zum anderen wird die Arbeit nicht mehr unter dem Gesichtspunkt, optimales Ergebnis erledigt, sondern oft unter dem Aspekt, optimale Wirkung für eine positive Bewertung meiner Arbeit. Dass das nicht zwangsläufig das gleiche sein muss, erlebt man immer dann, wenn sich Vorgesetzte wundern, dass plötzlich Misstände auftauchen, die ihnen so nie zugetragen wurden, oder wenn Projektleiter sich wundern, warum kurz vor Deadline plötzlich offenbar wird, dass das Projekt gar nicht in time und Budget fertig wird.
Wir wollen wie Erwachsene behandelt werden, das klappt mittlerweile, bis auf einige Ausnahmen in der Politik und der Werbung schon ganz gut. Aber das gleiche gilt auch im Beruf. Einer der Aspekte, auf den ich bei meiner Recherche über Menschen, die vom Angestellten zum Freiberufler wurden,immer wieder gestossen bin ist, dass sie es sehr schätzen, endlich erwachsener behandelt zu werden, nicht mehr dauernd überall kontrolliert und gegängelt zu werden. Und Unternehmen, die das auch bei Externen versuchen, wundern sich oft, warum dann die Fluktuation so groß ist. Je mehr Messlatten ich an meine Mitarbeiter anlege, um so unfreier, fremdbestimmter arbeiten diese.
Und das ist nun wirklich etwas, was die Arbeitspsychologie hinlänglich belegt: Wer selbstbestimmt eigenmotiviert arbeitet erzielt deutlich bessere Leistungen als der fremdbestimmte, und fremdmotivierte Mitarbeiter. Warum da aber sich so wenig ändert? Weil dann zum einen ganze Hierarchieebenen plötzlich überflüssig wären, die sich mit der Überwachung und Steuerung (sie nennen es oft Ergebnissicherung) befasst sind. Zum anderen, weil dann der Kontrollverlust groß wäre und die Charaktere, die heutzutage Führungspositionen einnehmen vermutlich große Probleme damit hätten, Menschen nicht mehr per Order vom Mufti lenken könnten, sondern als Coach, als Unterstützer und Möglichmacher fungieren müssten.
Aber genau das wird die Rolle der Führungskraft in der Arbeitswelt der Zukunft sein. Weg vom Kontrolleur, hin zum Coach.
Denn spätestens mit dem 18. Lebensjahr gilt man als erwachsen. Zumindest im Privatleben. Im Beruf kann das durchaus noch dauern 😉