Blogparade: Digitale Heimat

Alex Schnapper, ein guter Freund von mir, den ich sozial medial zuerst kennengelernt habe, hat eine Blogparade „Verlust der digitalen Heimat“ gestartet, eine Frage, die ich mir in den letzten Monaten oft gestellt habe und da ich auf dem Barcamp Stuttgart dieses Jahr endlich wieder dabei war (für mich DAS Barcamp, das mich an die Idee herangeführt hat), wo ich eine Session anbot mit dem Titel „Ist Social Media tot oder riecht es nur schlecht?“ Hubert Mayer, der mit einer ähnlichen Fragestellung am Start war, schlug vor, wir machen das gemeinsam, was zu einer sehr spannenden Session führte, deren Fazit war in etwa: Nicht ganz tot, aber es zerfleddert gerade und es gibt keine zentrale Plattform wie es Twitter einst für viele von uns war.

Digital war ich schon seit meiner Jugend. Mit dem VC20 fing es an, ich verkaufte eigene Programme in Computerzeitungen (damals tippte man Code noch ab um an neue Software zu kommen). Damit finanzierte ich meinen ersten AMIGA. Nach einer kurzen Phase an einer Berufsakademie, die so gar nicht meins war, hab ich dann in Osnabrück Computerlinguistik und Künstliche Intelligenz studiert. Zu der Zeit begann es gerade mit dem World Wide Web (nein, das Internet ist viel älter) und ich stürzte mich voll Enthusiasmus ins Aufbauen von Webservern und die Webseitenerstellung.  Dort gab es auch erste Chatsysteme am Großrechner und Bulletin Boards. Als ich dann ein Forschungsstipendium bei der IBM bekam, war klar, wohin die Reise geht. KI und World Wide Web.

Und als Plattformen wie Twitter und Facebook beliebt wurden, war ich stets Early Adopter. (Tipp am Rande. Early Adopter ist ne spannende Sache, aber von allem, was neu erscheint ist es sinnvoll, die erste „Runde“ zu ignorieren, das spart viel Zeit und Nerven)

Den Großteil meiner Follower bekam ich durch #zensursula und den damaligen Plan von Netzsperren und durch meinen Aufenthalt in psychiatrischen Kliniken nach einem Suizidversuch und der darauf folgenden Diagnose: Schwere wiederkehrende Depression und generalisierte Angststörung.

Aus den Tweets von damals unter dem Hashtag #ausderklapse ein sehr erfolgreiches Buch bei Bastei Lübbe (Depression abzugeben) und ich konnte dank eines sehr erweiterten Followerkreises an Aufklärung über Mentale Gesundheit arbeiten.

Dann kam Elon und damit das Ende von Twitter. Nicht nur der Name änderte sich zu X (ein überaus dämlicher Name wie ich finde) sondern auch das früher schon oft flache Niveau wurde zu einer Kakophonie von rechtem Müll, Pornbots und Schwurblern.  Letztlich bin ich nur noch auf X , damit niemand anderes meinen Twitternick für rechten Blödsinn missbrauchen kann.

Nach einigen Experimenten mit Bluesky (zu nieschig für mich) und Mastodon (einfach nicht mein Ding) bin ich nun bei Threads gelandet, wo ich schnell eine sympathische Mental Health und Programmier/KI Community fand.  Aber damit gehen mir über 5000 Follower verloren und  bei Threads baut sich die Community gerade erst wieder auf.

Für mich ist Social Media nicht tot aber in einer Schockstarre. Ich bin in anderen Themen aktiv. Nach langer Abstinenz code ich wieder zum Thema KI und bin dadurch und durch die Nutzung der Plattform durch meine Kinder bei Discord sehr viel aktiver.  Facebook und Instagram bespiele ich zwar, lese da aber eher selten.

Social Media ist im Moment immer noch in einer Schockstarre und ich wieder auf historischen Pfaden unterwegs, nachdem ich ja bereits vor über 30 Jahren KI studiert habe und die aktuelle Entwicklung mich sehr fasziniert, weil während meines Studiums damals die Grundlagen für das gelegt wurden, was heute als generative KI bekannt ist.

Bislang fühle ich mich auf Threads ganz wohl, wenn auch die Lust aufs Posten sich eher reduziert hat. Aber immerhin laufen Diskussionen (noch) sehr viel kultivierter auf Threads aber irgendwie ist die Luft raus. Dafür belebt sich mein Blog wieder, was ich leider habe viel zu lange brach liegen lassen mit nur spärlichen Beiträgen und dann zu monothematisch.

Ja, wenn ich es genau betrachte, ich habe meine digitale Heimat verloren. Ob das schlecht ist? Schade ist es, Discord, Threads und Softwareentwicklung gleichen da viel aus, aber es fühlt sich merkwürdig an. Social Media riecht für mich gerade sehr schlecht. Und ich fürchte, wir sind damit durch, dank zu viel Werbung, Influencergebläsen und rechtem/Schwurblerzeug.

Immerhin bin ich wieder zu meinen Wurzeln als KI Forscher und Softwareentwickler zurückgekehrt. Man ist nie zu alt fürs Coden und fürs Forschen schon zweimal nicht. Und Wissenschaftler verlernt man nicht, das ist Teil der eigenen DNA.

Und was besonders schön ist: Meine Söhne haben sich beide entschlossen, das zu machen, was immer schon meine Leidenschaft war und ist. Sie studieren Informatik und dort mit Fokus auf KI. Und das fast ganz ohne mein Zutun.