Ist der jetzt ganz durchgeknallt? Bin ich nicht. Auch wenn das manche von mir gerne behaupten würden, um zu verhindern, dass meine Stimme noch mehr Gewicht bekommt.
Ja, ich bin meiner Depression in gewissem Sinn dankbar. Meine Frau sagte in einem TV Interview, die Krankheit habe uns in Tiefen blicken lassen, die sonst kaum jemand erreicht. Ich habe viel über mich gelernt in der Zeit in den Kliniken. Weniger durch die Therapiesitzungen als durch die Gespräche mit anderen Patienten, die bedingt durch den Zusammenbruch und die gemeinsame Leidensstrecke offener über ihre Gedanken, Ängste und Gefühle sprachen, als jemals jemand außerhalb des Refugiums Klapse. Einiges an Erkenntnisgewinn über meine Vergangenheit hätte ich ohne die Geschehnisse rund um meine Krankheit und den Suizidversuch wohl nie erlangt. Dass mein erinnertes Leben erst mit dem 12. Lebensjahr beginnt, das war mir zuvor nicht wirklich bewußt. Das ich auf den Fotos meiner frühen Kindheitserinnerungen meine Eltern ausradiert habe.
Und in der Reflektion mit anderen Patienten habe ich auch gelernt, dass es in Ordnung sein kann, empfindsamer, sensibler als andere zu sein. Früher habe ich diese „Talente“ gehasst, weil sie mich immer wieder ins Abseits geschossen und zum Außenseiter gemacht haben.
Die Melancholie der vergangenen Jahre, die immer wiederkehrende tiefe Traurigkeit. Vieles habe ich gelernt über mich, vieles als Teil von mir zu akzeptieren gelernt, der zwar anders ist als bei anderen, deshalb aber nicht schlecht.
Und ich habe gelernt, wie sagen wir mal „seltsam“ so manche im Umgang mit meiner Krankheit waren. Briefe, in denen ICH gebeten wurde, meiner Frau weitere Kontakte mit bestimmten Instutionen zu verbieten. Angst, meine wachsende Prominenz im Rahmen der Suizidprävention und Depressionsaufklärung könne für so manchen aus meinem Umfeld negativ sein. Drohbriefe, die mir den Anwalt avisierten, sollte ich nochmal Personen erwähnen, die ich gar nicht erwähnt hatte. Das Umfeld reagiert sehr schnell sehr empfindlich, wenn man nicht in die brave, die gefolgsame und Klappe haltende Norm passt.
Aber Gott sei Dank hat mir meine Depression auch gezeigt, dass mein eigeninitiatives Engagement gewürdigt wird. Mittlerweile habe ich fast jeden Monat einen Auftritt irgendwo um entweder mein Buch vorzustellen oder über Depressionen aufzuklären. Interviews, Lesungen, Podiumsdiskussionen. Ich habe meinen Weg gefunden mich mit der Depression, dem dunklen Teil von mir zu arrangieren. Und damit auch meine Angststörung in den Griff bekommen.
Ich bin jetzt im Fokus. Die Meinung anderer oder deren Sicht auf mich, das angeblich so wichtige Fremdbild. Es ist mir egal. Denn es war viel zu oft falsch und final sogar fast tödlich.
Wer mich ab jetzt nicht so nimmt wie ich bin, der darf sich gerne aus meinem Dunstkreis entfernen. Es ist mir den Aufwand, die Energie nicht wert, mich für die Akzeptanz von Menschen aufzureiben, die mich überhaupt nicht so akzeptieren wollen, wie ich bin, die nur etwas aus mir formen wollen, aus dem sie größtmöglichen Gewinn ziehen wollen.
Die Depression hat mich, so paradox das klingt, wieder viel näher zu mir selbst gebracht. Sie ist und bleibt Teil von mir. Ein Mahner und Erinnerer, wie ein deutscher Comedian es formuliert.
Meine Depression, mein Einhorn, wir haben uns arrangiert.