Ich bin meiner Depression dankbar

WTF. Denkt ihr doch alle gerade, gebt es ruhig zu.

Aber es stimmt. Ich bin ihr dankbar. Nicht für ihr Arschlochbenehmen, wenn sie mich gerade an besonders schönen Tagen runterzieht. Auch nicht für die lebensbedrohlich dunklen Gedanken. Und die Panikattacken, die könnt sie sich ruhig ganz schenken.

Aber sie hat die Truppen gereinigt. Sie hat mir gezeigt, wer in harten Zeiten zu mir steht, wer auch meine trüben Phasen erträgt. Und ich habe dank ihr neue, besondere Weggefährten gefunden. Die Mittwochabende sind für mich plötzlich zu einer Zeit des Austauschs, des Lachens und der Freundschaft geworden.

Und sie hat mein Wertegefüge durcheinandergewirbelt. Wenig ist da, wo es früher war. Wenn den nächsten Tag (er)leben in mancher Nacht zum einzigen Ziel wird, dann sind gängige Werte plötzlich irrelevant. Ein neuer Tag, den ich nicht im Dunklen verbringe, ist ein hohes Gut. Ein schönes Kunstwerk, die Natur, ein gutes Buch. Einfache Dinge, wichtige Dinge.

Sie hat mir beigebracht, weniger an andere und mehr an mich zu denken. Ja, das übe ich noch, aber ich mache Fortschritte.

Sie hat mich zum Autor gemacht. Denn sie hat mein Leben so nachhaltig und intensiv verändert, dass es wert ist, das zu erzählen.

Ich habe sie als meinen Begleiter akzeptiert, sie ist ein Teil von mir, den ich nicht abschütteln kann. Und sie hat mich verlangsamt. Im Guten. Ich beginne, die Momente zu genießen, wo ich früher nur an das Morgen gedacht habe. Alles noch ganz zart, ganz knospig, aber es wächst heran.

Die Depression ist nicht mein Freund geworden. Aber so etwas wie der Advocatus Diaboli, der Berater, der mir hilft, Spreu vom Weizen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.

Manchmal streite ich mich mit meiner Depression. Wenn sie wieder mal zum ungünstigsten Moment die Klappe auf und mich in den Abgrund reißt. Aber ich hab jetzt Rettungsseile. Ich komm da wieder raus. Auch wenn sie oben steht und lacht. Ich lache jetzt zurück.

Wenn da nicht die Angst wäre. Aber das ist eine andere Geschichte. (sic)

Kennt ihr jemanden, der mit einer Depression zu kämpfen hat? Dann seht ihr einen sehr starken Menschen vor euch, der sich jeden Tag wieder gegen den leichten, finalen Weg stemmt und seine oder ihre Depression in die Schranken weißt.