Einen Scheiß muss ich

„Dein Leben hat dich doch sicher völlig verändert?“ „Was machst du denn jetzt alles anders?“ „Hast du nicht immer noch Schuldgefühle?“

Fragen, die man mir gelegentlich stellt, mittlerweile seltener, weil mehr und mehr Menschen die Antwort bekannt ist. Die lautet profan, direkt und ohne Filter „einen Scheiss muss ich„. (Übrigens auch ein sehr amüsantes Buch)

Verdammt nochmal, ich hab die dunkelste Stunde meines Lebens überlebt. Würde ich das ganze visualisieren wollen, so war da schon die Flatline des Herzstillstands. Ich hatte mein Leben aufgegeben, meinen Eigenwert vernichten lassen und den dummen Fremdbildern über mich nachgegeben.

Das war alles falsch, dumm, gefährlich und ich  mache es auch heute noch. Aber das wird mir immer häufiger bewußt. Wie oft ich handle um Chefs, Kollegen, Bekannten oder gar, Gott bzw. die Naturgesetze bewahren, wildfremde Menschen zufriedenzustellen. Ich hab mir Internetsucht anhängen lassen, dass ich unordentlich sei, zu verspielt, zu technikbezogen. Und wisst ihr was? Das mag alles stimmen. Aber es geht mir am Anti-po-den vorbei. Das ist es, was mich ausmacht. Und das ist es, was ich nicht mehr ablegen werde. Die Menschen, die mich lieben, lieben mich eben mit diesen Fehlern, diesen Defiziten. Und viele Fehler haben mir zu einem besonderen, einem Leben voller unerwarteter Abenteuer verholfen. Mein Buch wäre nie entstanden, ich hätte nicht so viele neue, spannende Menschen, meine Leser, meine Follower kennengelernt, hätte ich dem Geschwafel eines Arztes zugehört, der mir eine digitale Abstinenz empfahl.

Vielleicht musste ich vor allem wieder lernen, mir selbst zu vertrauen, nicht dauernd anderen Menschen zuzuhören und zu glauben, nur weil sie über mir stehen, selbstbewußter scheinen oder mit dem (ja ein Wort, das mich direkt wütend macht) beschissenen Fremdbildprinzip jedwede eigene Meinung zu unterminieren versuchten, weil man sich ja selbst nie richtig einschätzen würde.

Und wenn schon. Wer glaubt, andere Menschen könnten das besser, ist schlicht und ergreifend ignorant bis dumm.

Niemand kennt einen anderen Menschen so gut, wie dieser sich selbst. Nur wenn man sich dauernd nach den Meinungen anderer orientiert, verliert man sich selbst irgendwann. Und genau das ist mit mir passiert. Ich war so damit beschäftigt, anderen zu gefallen, dass die darunter litten, die eigentlich wichtig waren und sind.

Meine Frau sagte nach den Klinikaufenthalten mal, jetzt habe sie den Mann wieder, denn sie kennen und lieben gelernt hatte. Einerseits erschreckend, denn dann war ich ja offensichtlich die Jahre dazwischen bestenfalls so ähnlich wie damals andererseits für mich aber ein tolles Signal, dass offensichtlich der echte Uwe wieder da ist. Denn damals, das war eine der wenigen Phasen meines Lebens, die ich als sehr glückbringend, erfüllend und schön empfand. Meine Jugend, das hat nicht nur mein Gehirn gestrichen, bei allem was vor meinem 12. Lebensjahr passiert ist. Und wie mein Therapeut so schön sagte: „Das ist wohl besser so, da hat ihr Verstand wohl für sie einen Schutzwall eingerichtet.“

Leider haben mir nicht so wohlgesonnene Menschen eben in den letzten Jahren an genau diesem Schutzwall gearbeitet und das kleine, verunsicherte, ängstliche Kind an die Oberfläche geholt. Dass ich dann in eine Angststörung und Depression rutsche war perfide konsequent. Aber auch, dass ich jetzt wieder da bin und vermutlich dem einen oder der anderen in meiner neuen Art nicht mehr gefalle. Aber auch hier gilt: Einen Scheiss muss ich. Und ganz ehrlich. Mit diesem Gefühl lebt es sich viel besser. Wenn ich jetzt wieder mal mit Beurteilungen, Verurteilungen oder Vorurteilen über mich konfrontiert bin, werd ich zwar nicht still sitzen und alles abnicken. Aber was da auf mich einstürzt ist das, was es schon immer war. Urteile von Menschen, die mich nicht wirklich kennen. Denn der Norm entspreche ich nicht. Das ist mir sehr deutlich geworden. Nur will ich das jetzt auch nicht mehr. Denn die Norm hat mich jahrelang kaputt gemacht. Also entweder, ich passe euch, wie ich bin, oder ihr müsst damit leben. Ein echter Fall von P.A.L. – Problem anderer Leute.