Die Illusion des kontrollierbaren Mitarbeiters. Vom Social im Media

Es erfolgt ein stiller Umbruch. Jenseits der Bürokommunikation, jenseits von 9-17 Uhr denken kommuniziert der Mitarbeiter mit Kollegen, Freunden, der ganzen Welt.

Das überrascht? Mich nicht. Schon immer gab es technische Möglichkeiten, sich zum Beispiel als Softwareentwickler mit Kollegen weltweit auszutauschen. Und oft brachte das dem Unternehmen bare Münze ein, denn so konnte so manches Entwicklerproblem schnell binnen eines Tages gelöst werden, an dem man sonst sicher ein oder zwei Wochen geknobelt hätte.

Deshalb war in den Anfängen der Vernetzung, als nur der versierte Internetnutzer überhaupt Zugang und Kenntnis über den Umgang mit dem Internet hatte, die Tage auch noch… halt, ich schweife ab.

Natürlich gab es schon immer den Flurfunk und das Gespräch unter Kollegen bei einer Tasse Kaffee. Aber meist waren das enge Zirkel von Teammitgliedern, die auch sonst zusammenarbeiteten. Über das ganze Unternehmen hinweg war transparente offene Kommunikation oft schwer, der hauseigene Gärtner wusste nichts von der IT, die Sachbearbeitung nichts von der Produktion jenseits dessen, was für die beruflichen Tätigkeiten brauchte.

Doch das ändert sich gerade radikal, ob die Führungsebenen dies nun für gut befinden oder zu verhindern suchen. Smartphones, Tablets, soziale Netzwerke vermögen Menschen zusammenzubringen, die früher ggf. nicht einmal voneinander wussten. Und neben dem Austausch über private Hobbies oder den aktuellsten Klatsch ist es heute auch möglich, sich über das Unternehmen und die Irrungen und Wirrungen der einzelnen Bereiche untereinander auszutauschen. Es ist sogar möglich, und das dürfte so manchem nicht gerade schmecken, jenseits der Hierarchien Dinge auf die Beine zu stellen oder sich über Ärgernisse auszutauschen. Und auch im Netz wird der Mitarbeiter, wird das Unternehmen sichtbarer. Meist nicht, weil der Mitarbeiter etwas ausplaudert sondern vielmehr, weil jegliche öffentliche Äußerung gerade auch der Führungsebenen oder der Bereiche, die für die Öffentlichkeitsarbeit tätig sind nun UNKONTROLLIERT im Netz kommentiert und persifliert werden kann. So manch ein Shitstorm entstand aus einer gut gemeinten Nachricht.

Man mag hier dem Mitarbeiter einen Maulkorb anlegen, in gar vom (sozialen) Netz trennen. Das halte ich aber für eine sehr schlechte Idee. Zum einen dringt so etwas über kurz oder lang nach außen und schädigt damit nicht nur den Ruf des Unternehmens als Arbeitgeber sondern  erzeugt auch ein sehr altbackenes Bild einer Firma mit Kontrollwahn und Misstrauen gegen die Mitarbeiter.

Was viel schwerer wiegt, der Wunsch nach Kontrolle des Mitarbeiters demotiviert und  behindert oft in der eigenen Arbeit. Wer sich überwacht und kontrolliert wähnt, verhält sich auch so. Wir müssen uns darauf einstellen, dass es dringend einer neuen Führungskultur des Loslassens und des Vertrauens bedarf. Wer seine Mitarbeiter mit Zahlen und Auswertungen kontrolliert, wer Kennziffern und Tabellen voller Tätigkeitsberichte fordert, der wird bald viele Mitarbeiter haben, die sich mehr darum bemühen, Zahlen und Tabellen gut aussehen zu lassen, als die eigentliche Arbeit zu tun. Und wer Prozessketten aufbaut, bei denen eine einzige Entscheidung über 5 oder 6 Schreibtische muss, der sollte sich nicht wundern, wenn Projekte immer länger dauern und immer teurer werden, ohne dabei qualitativ besser zu werden.

Wir sollten endlich die Mehrheit der Kontrollmechanismen hinterfragen und wieder mehr Vertrauen und Eigenverantwortung erlauben. Und das heißt nicht, Unternehmerisches Denken zu fordern und dessen Einhaltung gleich wieder durch Controllingmechanismen zu überprüfen. Das heißt viel mehr, sich wieder auf die eigentlichen Aufgaben und die gewünschten Ergebnisse zu besinnen, statt nur dafür zu sorgen, dass die Humanressourcen ausgelastet sind, ja nichts persönliches tun, im Prinzip ihr Wesen, ihren Charakter am Zugang zum Betriebsgelände draußen lassen. Das ist nicht sinnführend und zudem auch völlig jenseits der Realität.