Bevor ich gleich mit Beschwerden bombardiert werde. Dieser Artikel ist zwar in der Erläuterung meiner Arbeitstechniken ernst gemeint, aber zwecks angenehmerer und unterhaltsamerer Lesbarkeit mit einem guten Quäntchen Ironie unterfüttert.
Es ist schon knapp 9 Jahre her, da hatte ich meinen ersten Kontakt mit Totholzallergikernfetischisten. Mir wurde damals in einem „Mitarbeitergespräch“ vorgeworfen, ich würde mich schlecht organisieren, da man von mir keine Todo Listen sehen würde, ich aber dauernd mit diesem „Spielzeug“ (ein PDA von HP) rumspielen würde.
Unnötig zu erwähnen, dass meine Erklärung, ich würde meine Todo Liste (wie ich es schon lange vorher getan hatte) auf dem digitalen Assistenten führen auf taube Ohren stieß. Nein, im Gegenteil, wie ein kleines Kind wurde ich dazu verdonnert, meine Todo Liste auf Papier zu führen und jede Woche vorzulegen. Na ja, das tat ich dann.. Besser gesagt, ich schrieb ein paar wenige Kernaufgaben meiner viel umfangreicheren digitalen Todo Liste auf Papier, von denen ich wusste, dass sie beeindruckend wirkten, aber in der Erledigung mit hoher Sicherheit in der nächsten Woche erledigt waren. Schwupps, war man mit mir zufrieden, obwohl ich an meiner Arbeitsorganisation kein Jota geändert hatte.
Nachdem ich mich eine Zeit lang (viel zu lange im Nachhinein) persönlich angegriffen gefühlt hatte, wurde mir letztlich klar, nicht ich habe ein Problem, ich war auf eine ganz besondere Form einer Allergie gestossen. Den Digitalallergiker, der meist in Verbindung mit einem gewissen Totholzfetischismus auftaucht. Deutliche Symptome: Eine Liebe zu allem aus Papier, häufiges Klagen über diese furchtbaren Computer und diesen ganzen digitalen Kram, den „man ja überhaupt nicht brauche, man habe früher ja auch ohne gearbeitet“. Seitdem erlebe ich dieses Phänomen immer wieder, selbst heute in Zeiten des Blackberry Fetischismus in Managementetagen noch immer. Stets, wenn ich Unternehmen oder Mitarbeiter im Bereich der digitalen Arbeitsorganisation oder im Umgang mit Social Media coache, stosse ich auf die gleichen Symptome der Digitalallergie. Während der eine oder andere bereits in der Gegenwart angekommen ist, muss ich in Beratungen und Coachings sehr sensibel mit den auch anwesenden Digitalallergikern umgehen. Man erkennt sie sehr deutlich an Äußerungen wie: „Diesen ganzen Kram brauche wir nicht“ oder auch „seit es dieses Werkzeug X oder Y gibt, wird alles nur noch komplizierter“.
Mittlerweile bin ich oft in einer anderen Rolle unterwegs, nämlich der des „externen Beraters“ oder „Coaches“ und habe als Aufgabe oft, eine kritsche Gruppe von „Totholzfetischisten“ mit nur wenigen digital affinen Teilnehmern vom Nutzen digitaler Endgeräte und den Potentialen von Social Media Vernetzung zu überzeugen.
Die Herausforderung hier besteht darin, zum einen für die bereits in der digitalen Welt Angekommenen Verständnis zu fördern und die Akzeptanz dafür zu steigern, dass man nicht nur dann arbeitet, wenn man das auf Papier tut. Gleichzeitig gilt es auch das Verständnis dafür zu schärfen, dass es tatsächlich normal sein kann, eine EMail auszudrucken, etwas mit Handschrift hinzuzufügen um diese EMail dann per Hauspost oder FAX! zurückzusenden.
Und in Zeiten von Social Media muss ich meine Beratung oft noch um den Aspekt ergänzen, dass es durchaus auch beruflich sinnvoll sein kann, auf Twitter oder Facebook präsent zu sein, und das es definitiv nicht so ist, dass Facebook von Geheimdokumenten aus Unternehmen und peinlichen Partybildern nur so strotzt. Das scheint eine neue Form der Digitalallergie zu sein und sie ist leider immer noch weit verbreitet.
Klinge ich ironisch? Mag sein, bei manchen Digitalallergikern, vor allem bei denen, die es, zum Beispiel weil sie im Online Umfeld oder der IT arbeiten besser wissen müssten, kann ich nur innerlich schmunzeln. Aber man muss die Digitalallergiker ernst nehmen, denn nur wenn man deren Akzeptanz, oder wenigstens das widerwillige Tolerieren erreicht hat, werden neue Projekte zum Erfolg führen.
Und zumindest in einem Punkt kann ich oft überzeugen, nämlich wenn es darum geht, wie ich mit der vor allem für Totholzfetischisten, die meist nur das Lesen einer Tageszeitung gewohnt sind überwältigenden Flut von zumeist digitalen Informationen umgehe. Wenn diese dann erfahren, dass für mich der Morgen ebenfalls mit dem Lesen einer Zeitung, nämlich meiner für mich persönlich aus verschiedenen Feeds zusammengestellten persönlichen Tageszeitung (für die Digitalen meiner Leser: Feedly ist der Kern, der Google Reader der Lieferant) beginnt, und ich meist insgesamt knapp 30-45 Minuten dafür brauche, dann aber bereits neue Artikel selektiert, neue Themen für den Blog gefunden, einige spannende Artikel via Buffer für meine Follower und Leser vorbereitet habe, dann können selbst die härtesten Gegner nicht leugnen, dass es offensichtlich auch den einen oder anderen praktischen Aspekt gibt.
Doch auch dann endet das ganze meist mit „also ich bleib bei meiner Zeitung aus Papier, die ist viel besser.“. Spätestens dann zeigt sich, dass das Licht am Ende des Tunnels noch seeeehr weit entfernt ist.Das ist auch der Grund, warum ich oft, vor allem wenn ich im Teilnehmerkreis Digitalallergiker vermute, meine elektronischen Helfer tarne. Mein engeres Umfeld kennt meine Pseudoschutzhüllen, die oft wirklich nicht mehr als das sind, da ich kaum noch ernsthaft auf Papier arbeite, schon, weil mir das spätere Übertragen ins digitale Format viel zu umständlich ist. Aber dafür sehen meine Tarnkappen für meine digitalen Todo Listen und Notizen zumindest businessgerecht und elegant aus. Frei nach dem Motto: „If you can’t beat them, join them.“
Wir erleben letztlich einen Paradigmenwechsel, der aber erst dann wirklich vollzogen ist, wenn die Generation derer, die mit der Digitalisierung aufgewachsen sind, auch in den Entscheiderpositionen angekommen ist. Bis dahin wird es immer noch Bedenkenträger geben, Menschen, die in tradierten Arbeitsweisen und Denkmustern verhaftet sind. Und man muß sie mitnehmen, integrieren, sonst scheitern innovative Projekte oder Änderungen in den Arbeitsmethodiken schon im Ansatz. Idealerweise identifiziert man einige der Meinungsbilder mit ausgeprägtem Totholzfetischismus und erreicht hier zumindest eine gewisse Akzeptanz. Dann hat man bereits den Samen der Innovation in das Unternehmen oder das Team getragen.
Und für alle, die wissen wollen, wie ich mich denn nun organisiere, hier die Liste meiner Werkzeuge:
Google Calendar, Drive und Mail,
dazu Toodledo für die Todos,
DGT GTD Getting Things Done Client auf Smartphone und Tablet, der mit Toodledo synchronisiert,
und für „all those Office things“ Libre Office auf dem PC und QuickOfficePro auf dem Tablet
Oh, und immer etwas beschriebenes Papier und den einen oder anderen Ausdruck „zur Tarnung“.
That’s it
Update: Ganz vergessen, den Anstoß zu diesem Artikel gab der Artikel von @luebue: „Das ist jetzt nicht privat“