Rezension: Der entfesselte Skandal

248, S., 28 Abb., 2 Tab., dt., ISBN: 978-386962-058-9, Monografie 19,80 EUR

Das Buch „Der entfesselte Skandal“ von Bernhard Pürksen und Hanne Detel verspricht im Untertitel: „Das Ende der Kontrolle im digitalen Zeitalter“.
Nun ist für mich gerade auch als Blogger durchaus interessant, welche Rolle das Netz und die Digitalisierung bei den aktuellen Skandalen spielt.
Aber leider versagt meiner Ansicht nach das Buch hier in weiten Teilen. Es fühlt sich vielmehr an wie eine dokumentarische Aneinanderung von Skandalen der jüngsten Vergangenheit, die dazu herhalten müssen, die These zu stützen, dass im digitalen Zeitalter die Kontrolle über das Geschehen und die Medien verloren wurde. Dabei fehlt mir aber in weiten Teilen die Substanz und gelegentlich gar das Verständnis für die Mechanismen der sozialen Netze.
In einer zum Teil sehr  wissenschaftlich verbrämten Sprache werden Beispiele für Skandale aneinandergereiht nachdem zunächst in einer für mich zu kurzen Form auf den Blogger als Auslöser eines Skandals und die digitalen Medien als Transportmedium eingegangen wird. Dabei ist es oft nicht der Blogger, der die Enthüllung betreibt, er gibt maximal den Anstoß, wenn er überhaupt so wichtig genommen wird. Immer noch sind es die klassischen Medien, die die dialektischen Schlammschlachten gegen Prominente führen. Es existieren sicher neue, schnellere Verbreitungswege, aber es ist die gleiche schon seit Jahrzehnten vorhandene Lust am Skandal und die kommerzialisierte Verbreitung der Skanalmitteilung, die den entfesselten Skandal erst auslöst.

Im Stil der Beschreibung schwingt stets der Unterton mit, der den Vorwurf gegen Blogger erhebt,effektheischend und um der Reichweite willen, Enthüllung zu betreiben. Hier wird völlig verkannt, dass es sehr viele Blogs gibt, denen es überhaupt nicht um Enthüllung geht. Es ist vielmehr so, dass wir es bei den enthüllenden Bloggern oft mit jenem Personenkreis, der ohne Internet auch mit Telefon oder Brief enthüllen könnte.
Die Skandalentfesselung wird zu stark auf die digitale Welt fokussiert, anstelle wirklich zu hinterfragen, woher die Skandalisierung und die Lust der Bevölkerung am Skandal rührt.

Insgesamt ein Buch, dass ein sicher spannendes Thema aufgreift, aber recht einseitig betrachtet und in weiten Bereichen eine wirklich objektive Betrachtung vermissen lässt. Zwar werden ab Seite 23. die Charakteristika des entfesselten Skandals aufgeführt, aber außer dem ersten Punkt, dass Initiatioren des entfesselten Skandals nicht mehr nur Journalisten sind, findet sich kein Argument, das einen wirklich neuen Aspekt hinzufügt. Und ich wage zu behaupten, dass auch heute noch nur ein sehr nah am Journalismus stehender Blogger mit der nötigen Relevanz einen wirklichen Skandal entfesseln kann, und auch er dazu der „klassischen Medien“ (noch) bedarf. Der Skandal an sich ist stets ein Ereignis, das durch die Multiplikation und die für die Öffentlichkeit nötig Relevanz getragen wird. Das Netz kann maximal aufdecken, ob der Skandal sich entfesselt, wird immer noch durch die Gesamtheit der Rezipienten bedingt.

Insgesamt ein eher enttäuschendes Buch, dass zwar einige interessante Skandale der Vergangenheit darstellt, aber eine wirklich fundierte Erklärung des Unterschieds der Skandale der (Offline-)Vergangenheit und der Gegenwart schuldig bleibt. Die Beispiele sind gut recherchiert,und die Analyse durchaus gelungen. ABER: Die eigentliche Entfesselung des Skandals hat wenig mit den Mechanismen des Internet zu tun, die hier lediglich eine gewisse Beschleunigung bewirken können. Vielmehr wäre zu hinterfragen gewesen, woher dieses große Interesse an Skandalen herrührt, und warum die Medien offensichtlich immer unreflektierter dieser Gier nach dem Skandal nachgeben.

Und zudem, letztlich ist jedes der Skandalbeispiele von einer gewissen globalen Relevanz. Was ist aber mit jenen Skandalen und Skandälchen, die eher lokal begrenzt entstehen, die sich nicht in der gesamten Öffentlichkeit abbilden?

Wegen der zum Teil zu wissenschaftlichen Sprache und einem gewissen Mangel  an Objektivität in der Analyse des Einflußes des Digitalen auf den Skandal ein Buch, dem ich nur 3 von 5 möglichen Sternen geben kann. Sollte es als Einstieg in die Skandalisierungswelt der digitalen Welt sein, wäre es ratsam gewesen, dies in einer etwas weniger wissenschaftlichen Sprache darzustellen, für den an tieferer Analyse interessierten Leser finde ich die Auswahl an Skandalen eher unglücklich gewählt .

Meine Wertung: [xrr rating=3/5]

Dank an www.bloggdeinbuch.de und den Herbert von Halen Verlag für das Rezensionsexemplar.