Schon traurig, wie wenig offensichtlich an Einsicht in den Köpfen mancher Parteibetonköpfe existiert.
„Der Ego-Shooter „Crysis 2“ ist Donnerstagabend beim Deutschen Computerspielpreis als „Bestes Deutsches Spiel“ ausgezeichnet worden.“ schreibt Heise Online und sieht sich genötigt, „“Killerspiele“ erhalten Deutsche Computerspielpreise“ zu titeln.
Grund: Zuvor hatte der kulturpolitische Sprecher der CDU/CSU Fraktoin Wolfgang Börnsen mit personellen Konsequenzen gedroht, sollte Crysis 2, ein von der CDU als Killerspiel bezeichnetes Spiel gewinnen. So viel zum Thema Demokratie, freie Meinungsäußerung und Verständnis über Computerspiele.
Aber das kennen wir ja schon, schon seit langem existiert eine konservative Lobby mit so hochfeinen Herrn wie Herrn Börnsen oder auch Herrn Christian Pfeiffer, die am liebsten Killerspiele für jegliche Art von Verbrechen zur Verantwortung ziehen würden.
Dabei übersehen sie eins. Schützenvereine gibt es auch, aber wird hier diskutiert? Es existiert die Bundeswehr und gerade haben wir wieder erfahren müssen, dass ein amerikanischer Soldat Amok gelaufen ist und unschuldige Zivilisten getötet hat. Vermutlich würde auch da die liebe CDU irgendwie ein Kurve zu „Killerspielen“ bekommen. Und wieder mal etwas herausblöken ohne zu wissen, worum es bei den meisten angeblichen Killerspielen nämlich vor allem auch geht. Um Taktik, um Teamwork. Man muss solche Spiele nicht mögen, aber daraus einer ganzen Branche einen Strick drehen zu wollen, ist mit Verlaub ignorant und idiotisch. Schon alleine das Argument, dass viele amoklaufende Jugendliche Killerspiele gespielt haben, ist nachweislich dumm. Denn dann müsste man ja auch die Tagesschau, die Nachrichten, jegliche öffentliche Darstellung von Zeitungen verbieten, denn dort wird jeden Tag über ECHTE Tötungen, oftmals im Auftrag und mit fadenscheinig guter Begründung unter dem Deckmantel des Schutzes von Interessen (der Wirtschaft) berichtet. Und wenn wir schon so argumentieren, dann sollten auch die Millionen von Jugendlichen erwähnt werden, die Killerspiele spielen und dennoch liebe, freundlich und total unagressiv sind. Aber es ist immer einfacher, nur die Seite der Medaille zu betrachten, die dem eigenen Denken entspricht.
Wir leben aber, und hier finden sich wohl die wirklichen Gründe für die Gewaltproblme unserer Zeit in einer Gesellschaft, in der es immer mehr um Leistung, um Perfektion, um ja nicht unperfekt sein geht. Wer da aus dem handhabbaren Raster fällt, der gerät selbst schnell ins Abseits. UND daraus mag sich viel eher ein Hass auf die Gesellschaft entwickeln. Ich würde sogar behaupten der primäre Faktor ist eine permanente Ausgrenzung dieser Jugendlichen, die mittlerweile dank Hartz IV und immer größerem Leistungsdruck in der Schule noch gefördert wird. So lange wir nicht endlich begreifen, dass wir uns nicht nur um die Noten und die Leistung, sondern auch um die Seele Heranwachsender kümmern müssen, wird das nicht besser.
Ich habe früher auch Killerspiele gespielt, um in der polemischen Dialektik der CDU zu bleiben. Aber ich habe aus Überzeugung den Kriegsdienst verweigert, weil ich keinen REALEN Menschen erschiessen wollte und sehr klar den Unterschied zwischen der spielerischen Simulation und der Realität unterscheiden kann. Und man stelle sich nur vor, ich habe früher auch gerufen, „peng du bist tot“, wenn wir Cowboy und Indianer spielten, habe im Fernsehen gesehen, wie Jerry Tom einen grossen Stein auf den Kopf fallen lässt und wie angeblich vernünftig denkende Menschen in Afganistan und im Irak einmarschiert sind, angeblich NUR aus humanitären Gründen.
Amokläufe und Gewalt sind ein Problem der Gesellschaft, nicht eines Spieles. Aber es ist halt leicht, und zudem populistisch, auf eine Gruppe einzudreschen, die nur eine schwache Lobby hat. Nur leider leider übersieht die liebe CDU da eines.
Auch solch ein vorurteilsbehaftetes, uninformiertes und antidemokratisches Verhalten (mit personellen Konsequenzen drohen, heißt für mich letztlich Erpressung) führt zum Erfolg der Piraten. Insofern: Bitte macht weiter so, damit wir bald erleben, wie die Piraten in den Bundestag einziehen. Ihr scheint es ja zu wollen.
Immerhin scheint es ein paar wirklich nachdenkende CDUler im Verein Cnetz zu geben, die dem ehrenwerten Herrn Börnsen vermutlich zu Recht entgegenhielten, Zitat Heise: er habe sich offenbar gar nicht selbst mit dem Spiel beschäftigt. Allein seine Sprachwahl zeuge „von einer groben Unkenntnis in der Sache“. Der Verein für Netzpolitik verglich „Crysis 2“ mit dem Film „Inglourious Basterds“ – dort gebe es mehr gewaltverherrlichenden Szenen als in „Crysis 2“, und der Film sei im Unterschied zu dem Computerspiel mit öffentlichen Mitteln gefördert worden. Spiele dürften nicht nur unter pädagogischen Aspekten betrachtet werden. „Computerspiele sind längst ein weit verbreitetes und anerkanntes Kulturgut“.
Ja Herr Börnsen, da würd ich mal sagen, setzen, sechs, und am besten sich mal von jemandem, der sich damit auskennt erklären lassen, worüber man spricht, bevor man unqualifiziert in die Medien hinausposaunt.