Die Diktatur des Positiven

Die Politiker leben es vor. Ganz egal, wie das Wahlergebnis aussieht, immer gibt es irgendeine Begründung, warum das miese Ergebnis doch eigentlich gar nicht schlecht ist. Schlimmstenfalls ist der böse Wähler schuld. Und wenn man in Firmenzeitungen schaut, dann wird   nur positives berichtet. Selbst in der Wirtschaft werden oft Zahlen so lange umgebaut, bis noch das negativste Ergebnis positiv dargestellt werden kann. Denn interessanterweise zeigen Studien, dass es z.B. kaum eine Fusion gab, die für die beteiligten Unternehmen positiv ausging. Dennoch wird immer wieder geschwärmt, wenn zwei Unternehmen sich zu einem zusammenruinieren.
Wir predigen permanent eine Fehlerkultur, die wir in der Realität nicht leben. Im Gegenteil wird jedes Versagen mittlerweile als existentielle Bedrohung dargestellt und schon unseren Kindern impfen wir ein, dass nur wer ein „Highperformer“ in der Schule ist, noch eine geringe Chance in der Zukunft hat.

Und dann wundern wir uns, warum sich immer mehr Menschen ausklinken aus diesem Hamsterrad des Perfektionismus und gerade in der aktuell ins Berufsleben startenden Generation der Drang zur Karriere sinkt. Wer sein Leben echt führen will, muss auch Fehler machen dürfen. Mir zeigt sich aber immer mehr: Je lauter der Ruf nach einer Fehlerkultur ist um so weniger wird sie gelebt, um so mehr wird immer wieder nach dem „Schuldigen“ statt nach der „Lösung“ gesucht.

Die aktuelle Diskussion um eine Fehlerkultur halte ich für extrem verlogen. Denn wenn wir wirklich Fehler machen dürften, um daraus zu lernen, müssten wir Projekte ganz anders planen, müsste Luft auch eingeplant werden, um Fehler zu korrigieren. Aber gerade in diesen Planungen kommt der Fehler nicht vor. Wenn wundern dann solche Fiaskos wie beim Berliner Flughafen oder dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Natürlich hatte zu Beginn jeder perfekt geplant. Nur diese böse Realität hat sich halt nicht dran gehalten. Würden diejenigen, die zwar mit dem Projekt prahlen, aber sich mit den Inhalten nicht wirklich auskennen ihren Mitarbeitern mehr vertrauen, würde manches Projekt mehr Zeit bekommen, damit man auch Fehler gut abfedern kann. Niemand ist perfekt. Außer diejenigen, die mit dem Projekt wenig inhaltlich zu tun haben.
Und warum streben alle Schüler nach der 1 und für manche ist schon eine 2, eine GUTE Note ein Fiasko? Es kann nicht nur Topperformer geben und was heute Spitzenleistung ist, ist morgen schon Durchschnitt.
Wir wollen immer nur das Positive, aber die negativen Effekte ignorieren wir. Wir wollen Mitunternehmer, wenns um die möglichst lange Arbeitszeit und den Arbeitseinsatz geht, wenn der Mitunternehmer aber auch Mitbestimmung bei Arbeitszeit oder Arbeitsumfeld fordert, dann hört man geflissentlich weg.

Lasst uns endlich beginnen, eine Fehlerkultur zu leben, statt sie der Öffentlichkeit vorzulügen.