400 Meter Angst

Expositionstherapie. Der Fachbegriff für das, was ich in unserem Kurzurlaub anlässlich unserer Silberhochzeit gewagt habe. Eine Hängebrücke, genauer die Highline179 Hängebrücke mit 400 Metern Länge und 100 Metern Höhe. Dazu sollte man wissen, schon eine kleine Klappleiter kann mir weiche Knie verursachen und alles über etwa vier Metern löst bei mir gepflegte Angstzustände aus. Höhenangst, ich hab sie seit meiner Kindheit.

Da aber Angst an sich mein Problem und meine tägliche Herausforderung ist, war es an der Zeit, der Angst mal zu zeigen, wo der Hammer hängt.

Ja, ich gebe zu, insgeheim erwartete ich, nach den ersten paar Metern umzudrehen und das Ganze realistisch zu sehen und damit sein zu lassen.

Aber etwas in mir hatte keine Lust mehr, dauernd vor meiner Angst klein beizugeben. Und dann war da auch noch mein ganz persönliches Drama mit dem Turm und Menschen, die mich damals zu Handlungen getrieben hatten, die ich selbst nicht mehr verstand. Wie sicher war ich denn jetzt? Wie viel Angst konnte ich aushalten und war ich sicher vor mir selbst. All diese Fragen wanderten mit auf den Berg bei der Ehrenburg, wanderten mit und machten mir ängstliche Gedanken und weiche Knie. Aber anders als früher war da ein Wille, sich dem Ganzen endlich zu stellen.

Oben angekommen war da aber erst mal nur weiche Knie. Denn natürlich nutzten wir nicht die Gondel auf den Berg, sondern wanderten die nicht unbeträchtlichen Höhenmeter.

Ich wusste aber auch, die Pause durfte nicht zu lange sein, handeln musste schnell kommen, bevor nachgrübeln einsetzen konnte.

Ja, ich habe sie überquert, mit mehr Angst und weichen Knien als mir lieb war aber mit weniger, als ich erwartet habe. Und der Rückweg war nochmal herausfordernder, da sowohl die Anzahl der Besucher als auch die Stärke des Windes zugenommen hatte.

Und nein, meine Angst ist damit nicht einfach weg. Aber ich habe mir gezeigt, dass ich mit dem nötigen Willen ausgestattet bin, gegen sie anzugehen. Und danach gab es noch einige Wanderungen mit steilen Hängen und hohen Burgen. Aber die Angst ist kleiner geworden. Und sie darf ruhig weiter kleiner werden. Exposition um Exposition. Ich werde jetzt meine Angst beherrschen lernen. Nur so kann ich das Leben führen, das ich will.

 

Natürlich ist es nicht damit getan, eine hohe Hängebrücke zu überqueren. Aber es ist ein Schritt. Ein Teil im Puzzle meiner Krankheitsgeschichte. Nur Veränderung bringt voran und sich den eigenen Herausforderungen stellen, statt in einer Schockstarre zu verharren.

Schauen wir mal, was ich davon am Ende des Tages wirklich mitnehme

 

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