Ich habe Angst

Nun gut. Bei mir wohl kein Geheimnis mehr. Ich stehe zu meinen psychischen Schwächen. Auch wenn ich weiß, dass die typischen Reaktionen sind: „Mach dir doch nicht so viele Sorgen.“, „man kann auch vor allem Angst haben.“ (Übrigens:JA!) „Du bist zu ängstlich.“
Angst ist etwas überwältigendes, wenn man es in der Form einer generellen Angststörung hat. Angst frisst Vertrauen. Vertrauen in sich selbst, Vertrauen in andere. Und für manche ist die Angst der anderen ein Weg zur Manipulation. Meine Angststörung entstand aus dem, was ich als Kind und Jugendlicher erlebte. Sie entstand durch Mobbing, Einsamkeit, kein Vertrauen von wichtigen Menschen in mich.
Heute stehe ich zu meiner Angst, ich kenne sie und kann einigermaßen damit umgehen. Aber sie beeinflußt immer noch mein Leben. Aber ich schäme mich nicht mehr dafür. Jeder Tag, an dem ich gegen meine Angst angehe, jeder Moment, in dem ich merke, dass die Angst mich eben nicht mehr überwältigt ist ein guter Moment.
Wir alle, die wir gegen massive Ängste kämpfen, sollten aufhören, uns dafür zu schämen. Wir stellen uns unseren Ängsten, auch wenn sie manchmal überwältigend sind. Mein Suizidversuch entstand nicht durch die Depression. Die Depression war ein Teil meiner Angst und was damals geschah, war eine existenzbedrohliche, allumfassende Panikattacke. Und zwar sofort, ohne Ansteigen, von 0 auf Vollpanik.
Das so etwas passieren kann, sollte sich jeder vor Augen führen, der mit den Ängsten anderer spielt. Man wird in die Rolle der Beute gedrängt, die am Abgrund steht und nur noch zwei Möglichkeiten hat. Angriff oder Flucht. Und wir überängstlichen haben viel zu viel Angst, um noch angreifen zu können. Was dann passiert, ist klar. Aber wohl nicht jenen, die uns in solche Ängste treiben. Weil man ja angeblich keine Angst zu haben braucht. Warum nur erfährt man mittlerweile von immer mehr Menschen, die von massiven Ängsten betroffen sind? Warum leiden schon Schüler unter Ängsten? Kommt mir jetzt nicht mit dem Smartphone, das ist vielleicht Symptom. Der Grund ist das Spielen mit der Angst. Leistungsdruck, Konkurrenzdenken, angebliche Bedrohungen um sich Menschen gefügig zu machen, sie zu normieren und durch ihre Angst auch zu manipulieren.
Wer sich fragt, woher der Zulauf für rechtes Gedankengut und Fremdenhass kommt, ein großer Teil ist sicher auch Angst in einer Welt, die Druck ausübt, mit HartzIV eher bestraft als hilft und nur noch Spitzenleister will. Wir sollten wieder runter kommen von dem Angsttrip, aber so lange man über uns damit Macht ausüben kann, werden es Menschen ausnutzen.
Deshalb, ich stehe zu meiner Angst, aber ich durchschaue mittlerweile, wer mit ihr spielen will. Angst an sich ist nicht schlecht, sie schützt. Wenn man aber in einer eigentlich sicheren Zeit durch machthungrige Dummköpfe manipuliert und die Angst vor etwas nicht existentem hochgepeitscht wird, dann… ja, dann kann man schon Angst haben.
Ich stehe zu meiner Angst, und ich versuche zu vermitteln, dass der Kampf gegen sie ein Guter ist. Schwer, aber er lohnt. Meine Chili gegen meine Panik hab ich übrigens immer noch dabei. Nur so als Insider.