Schluss mit der Aufschieberei

Wer kennt das nicht. Wenn ich endlich mehr Zeit habe, mache ich X. Eigentlich fasziniert mich Y aber das kann ich eh nicht. Warum schieben wir so viele Dinge auf, die uns am Herzen liegen, die unsere Seele berühren?

Vielleicht, weil wir in einer Kultur leben, die von uns Verzicht fordert, Bescheidenheit. Die will, dass wir uns für die Arbeit aufopfern, die alles entwertet, was nicht direkt einen wirtschaftlichen Nutzen hat.

Kunst, Kultur, ideelle Werte sind nur dann von Relevanz, wenn sie sich monetär abbilden lassen. Was für eine schäbige Ideologie. Es ist eine ganze Industrie entstanden, die uns „besondere Erlebnisse“ für teures Geld verkauft.

Ich bin überzeugt, dass viele „besondere Erlebnisse“ in unserem Leben nur deshalb nicht mehr stattfinden, weil man uns hinreichend viel Angst eingetrichtet hat, um ein Schuldgefühl zu erzeugen, wenn wir dem Hamsterrad Karriere entfliehen.

Man sagt ja so gerne, suche Erlebnisse anstelle von Dingen. Aber in unserer 100% Sicherheit Welt, wo finden sich denn da noch Erlebnisse, die man sich nicht erkaufen muss. Wir lassen uns einschränken von Regeln, Meinungen, Wertesystemen, die sich wirtschaftlich ausrichten. Zum Wohle der Unternehmen, zum Wohle des Konsums ist jedes Erlebnis recht. Aber was ist mit den Dingen, die es kostenlos gibt? Und warum rechnen wir dauernd nur das Geld ein, dass etwas uns kostet. Viel wichtiger ist es in meinen Augen, dass wir die Zeit einrechnen, die wir arbeiten müssen, um uns etwas bestimmtes leisten zu können. Wenn wir das mit einbeziehen, dürften uns viele Dinge schnell relativ unwichtig erscheinen.

Ich habe eigentlich schon immer eine Faszination für den Weltraum, für den Sternenhimmel in mir gehabt. Irgendwann habe ich mal, für kleines Geld und gebraucht ein Teleskop angeschafft. Aber das verstaubte schnell in der Ecke. Zum einen, weil ich irgendwie nie die Zeit fand, es wirklich zu nutzen und zum anderen, weil dank suboptimaler Didaktik von Seiten meiner Mathe- und Physiklehrer am Gymnasium ich mich für einen kompletten Trottel gehalten habe, was Mathematik und Physik angeht.

Jetzt aber habe ich, wohl auch, weil die Ereignisse der letzten Jahre es mir überdeutlich vor Augen geführt haben, dass es keinen Sinn macht, Dinge, die einem am Herzen liegen aufzuschieben, die alte Liebe zur Astronomie wieder aufleben lassen. Und sehe mich nicht mehr als kompletten Versager, was die dahinter liegende Theorie angeht. Denn was ich auch gelernt  habe. Leidenschaft, Freude an einem Thema lässt Defizite schneller verschwinden, als manch einer es für möglich hält.

Nur weil andere dir einreden wollen, etwas mache keinen Sinn, sei Zeitverschwendung, habe keinen Nutzen heißt das noch lange nicht, dass du deren Weltsicht übernehmen musst. Wenn du einen Traum hast, etwas, das dich jedes Mal glücklich macht, wenn du es tun kannst/darfst/wirst, dann tu es.

Das Leben ist zu kurz… Ein ziemlich abgegriffener Satz, aber nichts desto trotz sehr, sehr wahr. Glück ist nicht etwas, das man aufschieben kann, um es später zu empfinden. Die glücklichen Momente, die wir uns heute nicht erlauben, werden nicht wiederkommen. Und wer kann mir garantieren, dass es ähnlich glückliche geben wird?

Carpe Diem hat sich wohl auch deshalb so ins kulturelle Gedächtnis unserer Gesellschaft gefressen, weil es einfach stimmt.