Plötzlich prominent und warum ich das gut finde

Mein Vortrag beim Patientenkongress Depression. Den Depresso fand sogar Harald Schmidt eine Pointe wert.

Das letzte Wochenende. Leipzig. Der Patientenkongress Depression und ich mitten drin. Anonym, kleiner Autor wie ich dachte. Ich hätte nicht falscher liegen können. Kaum dort angekommen wurde ich von den ersten Teilnehmern angesprochen auf mein Buch, meine Teilnahme bei 37° und meine Tweets. Man wollte mit mir fotografiert werden, mein Autogramm im Programmheft oder ein signiertes Exemplar meines Buches. Alles kam mir sehr surreal vor und tut es irgendwo auch heute noch. Zunächst war mir das alles eher unangenehm, so wichtig nehme ich ja selbst nicht einmal, wie das meine Leser (von Fans möchte ich gar nicht sprechen) tun.

Nach und nach wurde mir aber klar, dass es eigentlich sehr schön ist, dass ich jetzt eine gewisse Bekanntheit habe. Nicht wegen Verkaufszahlen oder der Überhöhung der eigenen Bedeutung. Sondern weil ich scheinbar das geworden bin, was ich mir insgeheim von Anfang an wünschte. Eine Stimme für die, die selbst nicht die Kraft haben, über ihre Krankheit zu reden, oder sich gegen Vorurteile zu wehren.

Das Interesse war sehr groß an meiner Lesung. Ein weiterer Grund, weiterzumachen.

So richtig klar wurde es mir in der Diskussionsrunde mit Prof. Dr. Hegerl und Victoria van Violence, in der auch ich als „prominenter Fürsprecher“ genannt wurde. Früher war ich derjenige, der nicht wusste, wie er sich fühlen soll, wie er sich gegen Angriffe und Vorurteile wehren soll. Jetzt scheine ich eine Stimme, einen Weg gefunden zu haben, der viele persönlich anspricht. Die Rückmeldungen zu meinem Buch, sie sind so unglaublich, so positiv, so ermutigend. Und auch in den vielen, vielen Gesprächen während des Kongresses war das der Grundtenor. Weitermachen, laut sein, Sprachrohr für andere sein. Ich habe mich geoutet, es waren sehr persönliche Gründe, dies zu tun. Aber jetzt bin ich laut, jetzt bin ich sichtbar, da ist es für mich Verpflichtung und Ehre, das Stigma um die Krankheit Depression, sei sie nun manisch oder rezidivierend, dystemisch oder Borderline zu bekämpfen.

Wir depressiven Menschen sind nicht schwach, sonder kämpfen einen fast übermenschlichen Kampf gegen eine unsichtbare Krankheit und gleichzeitig gegen die Vorurteile einer Gesellschaft, die nur noch auf Leistung getrimmt ist.

Hier den Finger in die Wunde zu legen, über die Krankheit aufzuklären, ihr das Stigma einer Charakterschwäche zu nehmen. Ich sehe es nach all dem wundervollen Feedback von Betroffenen als meine sehr schöne Pflicht an, meine Sichtbarkeit dafür zu nutzen.

Gleichzeitig aber nochmal der Hinweis. Niemand muss zwangsweise seine Erkrankung öffentlich machen. Im Gegenteil, normalerweise ist mein Rat. Die, die euch wichtig sind, die, die ihr liebt, die ihr zu euren GUTEN Freunden zählt, denen solltet ihr die Wahrheit sagen, weil sie sie verdient haben. Wer es sonst noch erfahren darf, hängt sehr davon ab, ob ihr dann Gutes vermutet. Und auch deshalb sehe ich mich schon ein bisschen in der Pflicht gerade auch für die zu sprechen, deren Umfeld wenig hilfreich ist. Denn nur wer begriffen hat, dass Depressionen eine Krankheit sind, wird auch richtig mit Betroffenen umgehen.

Ansonsten, ich werde weiter den Mund aufmachen, und gegen das Stigma kämpfen. Dafür hat mir der Patientenkongress in Leipzig und das Feedback meiner Leser und Unterstützer so unglaublich viel neue Kraft gegeben. Danke dafür!