einsam, alleine, zu zweit

Michael war schon eine Weile auf der Fete, hatte mit seinen Freunden gesprochen, getanzt, auch ein bisschen geflirtet, als er sie sah.

An der Wand des Saals hatte man Tische aufgereiht, die jetzt als Sitzgelegenheit dienten. Etwas abseits, weiter hinten im Saal saß sie auf einem Tisch, die Beine angezogen, das Kinn auf die Knie gestützt und beobachtete den Saal. Hin und wieder trank sie einen Schluck Limonade aus der Flasche neben ihr. Michael fragt seine Freunde, die abwinkten und sagten: „Das ist Jasmin, ist neu an unserer Schule und ziemlich komisch. Keiner hat wirklich Kontakt zu ihr, sie verschwindet nach dem Unterricht meist gleich nach hause.“

Irgendetwas faszinierte ihn an ihr. Sie hatte nur schwarze Sachen an, ihr langes Haar fiel ihr offen über die Schultern und sie schien damit zufrieden zu sein, alles zu beobachten.

Michael holte sich zwei Limonaden von der Sorte, die auch sie trank und ging zu ihr. Sie blickte weiter starr in den Saal, als würde sie Michael gar nicht wahrnehmen.

„Dich hab ich hier noch nie gesehen, seit wann bist du an unserer Schule?“ Ok, nicht gerade der brillianteste Kennenlernspruch, aber was besseres viel ihm partout nicht ein.

„Drei Wochen.“ antwortete sie einsilbig.

„Hier, hab dir noch ne Limo mitgebracht, deine ist ja leer.“

„Hmm, danke.“

„Magst du nicht mit zu den anderen? Tanzt du nicht?“

„Reicht mir hier, bin kein Typ für Parties.“

Michael fragte verwirrt: „Und warum bist du dann hier?“

„Bin gern unter Leuten.“

„Moment mal. Also du bist nicht der Typ für Parties aber gerne unter Leuten?“

„Mmmhmm.“

Michael trank einen Schluck aus seiner Limo. Dann versuchte er es nochmal, er wusste ja, dass sie Jasmin hieß aber vielleicht würde das ein paar mehr Worte aus ihr locken.

„Ich heiße Michael, und du?“

„Jasmin.“

Wow. Immerhin ein Wort, na ja, nicht wirklich ein Erfolg.

Plötzlich drehte sich Jasmin zu ihm um, ließ ein Bein vom Tisch baumeln, während sie das andere immer noch angezogen auf den Tisch stützte.

„Also, da du ja wohl nicht nachgibst. Ja, ich bin mit meinen Eltern erst vor drei Wochen hier her gezogen. Und das ist nicht der erste Umzug, sondern der … “ sie zählte demonstrativ mit den Fingern “ siebte.“

„Wow, das ist oft.“

„Ja, genau, und weil es verdammt anstrengend ist, sich dauernd neue Freunde zu suchen, die einen dann doch wieder vergessen, sobald man weggezogen ist, hab ich irgendwann aufgehört, mir überhaupt welche zu suchen.“

„Aber bist du da nicht verdammt einsam?“, Michael versuchte sich vorzustellen, wie das ohne seine Freunde wäre, konnte es sich aber nicht wirklich vorstellen.

„Ich bin alleine, aber das ist gut so, weil dich dann niemand verletzen kann.“

„Ist aber ganz schön feige, die Strategie.“ erwiderte Michael.

„Wie bitte? Blödmann, ist überhaupt nicht feige.“ Jasmin funkelte ihn wütend an.

„Tut mir leid, das sagen zu müssen aber doch, es ist feige. Du verhinderst, dass irgendjemand dir nahe kommt.“

Jasmin erwiderte trotzig: „Ach, Klugscheißer, und warum lasse ich dich hier mit mir reden und mich beleidigen?“

Michael beschwichtigte: „Zuallererst. Ich wollte dich nicht beleidigen, ich finde nur …“er druckste.

Jasmin durchbohrte ihn mit ihren Blicken: „Ja? Und? Was?“

Michael atmete tief durch: „Du bist hübsch, du scheinst echt was auf dem Kasten zu haben und mit deinen Klamotten und deiner Unnahbarkeit bist du zumindest in meinen Augen auch verdammt interessant.“

Jasmin lachte laut auf: „Mal ne ganz neue Art von Anmache. Danke fürs Kompliment, aber ich bin mir selbst genug.“

Michael gab auf: „Sorry, wenn ich dich nerve. Ich geh wieder zu meinen Kumpels. Falls du Lust auf Tanzen oder Reden hast. Ich bin da, ich lach nicht über dich und übrigens hab ich einen sehr guten Freund, der vor drei Jahren 200km weit weg gezogen ist. Und wir sind immer noch im Kontakt und treffen uns, wann immer möglich. Geht also auch anders Blödfrau.“

Damit stand Michael auf und ließ Jasmin mit ihrer neuen Limonade und einem überraschten Gesichtsausdruck zurück.

Der Rest des Abends lief wie die meisten dieser Abende, viel tanzen, viel lachen, und Gespräche unter Freunden.

Als er gerade eine neue Limo holen wollte, tippte ihn jemand von hinten auf die Schulter. „Gibst du mir auch eine, Blödmann?“

Michael musste grinsen, griff nach einer weiteren Limo und wendete sich Jasmin mit zwei Limonadenvollen Händen zu.

„Hey, die mysteriöse Lady ist aufgetaut.“

Jasmin zög die Augenbrauen zusammen: „Wenn du doof wirst, kann ich auch wieder gehen.“

„Bleib lieber, ich möchte dir nicht dauernd hinterherlaufen müssen.“

Jasmin lächelte: „Keine Sorge, bin normalerweise nicht für ausgiebige Wanderungen bekannt.“

„Hier, deine Limo.“

Jasmin nahm die Flasche entgegen, trank einen Schluck und fragte dann: „Das mit deinem Freund, das hast du nicht nur so gesagt?“

Michael schüttelte energisch den Kopf: „Nein, Stefan und ich sind immer noch dicke Freunde. Wenn man es mit der Freundschaft ernst meint, dann darf weder Zeit noch Distanz ein Hindernis sein.“

Jasmin ließ ihr Flasche gegen Michaels schlagen.

„Können wir Freunde sein?“

Michael musste sich sehr anstrengen, seine Überraschung zu verbergen.

„Gerne, auch wenn du das vielleicht nicht glauben magst. Du warst mir schon sympathisch, als ich dich da so in dir versunken entdeckt habe.“

Jasmin grinste: „Du bist auch in Ordnung, wie mir scheint. Los, lass uns tanzen.“

„Wie jetzt, ich dachte, du machst dir nichts aus Parties?“

„Ja, bislang aus Freundschaften auch nicht.“