Der Gutmenschenterror

Immer wieder mal lese ich Artikel wie „Warum ich mir kein Smartphone kaufe“ oder „ich bin dann mal offline“.

Und immer häufiger denke ich nur noch „Ja und? Junge/Mädchen, was willst du mir damit beweisen?“

Oft steckt dahinter der erhobene Zeigefinger des Mahners, der dieser bösen Gesellschaft mal vor Augen führen will, wie sie verschwenderisch mit allem möglichen umgeht. Das zumindest meinen diese Mahner und Erinnerer zu erreichen. In Wirklichkeit lösen sie bei mir eher intellektuellen Brechreiz aus. Es ist eine noch viel schlimmere Unkultur heutzutage, dass permanent das Verhalten anderer hinterfragt und an den Pranger gestellt wird. Du isst Fleisch? Verbrecher, du nimmst anderen die Lebensgrundlage weg, zerstört die Umwelt.
Du fährst ein Auto? Umweltsau, du vernichtest die Natur und verbrennst unsere Ressourcen. Und so weiter, und so weiter.
Was aber bei all diesen Aufschreien der riesengroße Denkfehler ist: Die Welt ist nicht schwarz oder weiß. Jeder, der einigermaßen mit Verstand und logischem Denken gesegnet wurde wird wissen, dass es nicht so einfach ist. Nur, weil wir nur noch regionales Obst- und Gemüse essen, retten wir nicht die Natur, nein in manch einem Kontext schädigen wir sie sogar. Und es gibt sowohl Rechnungen, die nachweisen, dass die Produktion von Fleisch mehr Ressourcen frisst, es gibt aber auch gegenteilige Studien. Ganz allerliebst sind diese Spinner, die mir klarmachen wollen, ich würde mit Smartphone und WLan ihre Lebensgrundlage zerstören, sie krank machen. Meist kommen diese dann mit Argumenten, die an Oberflächlichkeit und wissenschaftlicher Unhaltbarkeit nicht mehr zu toppen sind.

Ganz ehrlich Leute. Lebt euer Leben, verzichtet, worauf ihr verzichten wollt, aber bitte: Verzichtet vor allem darauf, euer Gutmenschentum andauernd in die Welt hinauszublasen. Bei mir bewirkt ihr damit genau das Gegenteil. Und aus diversen Gesprächen weiß ich, bei vielen anderen auch. Ich höre euch nicht mehr zu und überlege mir dann zwei mal, ob ein Verzicht wirklich Sinn macht. Gute Argumente höre ich mir gerne an. Aber wer mir mit geradezu missionarischem Eifer einen Konsumverzicht aufdrängen will, wer mich mit der ethisch moralischen Quelle zum Veganer machen will, der hat schon verloren. Der bewirkt bestenfalls das Gegenteil.

Wer mir weiß machen will, ich solle auf möglichst viel Technik verzichten, der dürfte sich wundern wenn er erfährt, dass unser Haushalt durch ein MEHR an Technik die Umwelt schont und Energie spart.

Etwas mehr ruhige Diskussion, etwas weniger missionarischer Eifer wäre in vielen Fällen viel sinnvoller. Aber leider hat offensichtlich die Mehrheit der Menschheit immer noch nicht begriffen, dass es nicht nur schwarz und weiß, gut und böse sondern viele Graustufen gibt. Blicken wir aber in die Vergangenheit, dann dürfte den meisten auffallen, wie oft gerade die angeblichen Gutmenschen mit ihren Ansichten so dermaßen daneben lagen, dass es schon schmerzt. Und da ist die Warnung, dass Zugfahren wegen der Geschwindigkeit die inneren Organe schädigt noch das „niedlichste“.