Freiheit, die ich meine. Warum wir eigentlich gar nicht frei sein wollen.

BHgQPPiCQAES_glIhr war mir nicht sicher, soll ich es als Frage formulieren oder als Aussage. Denn eigentlich will doch jeder von uns frei sein. Sagen wir zumindest. Stimmen wir total zu. Nicken wir zustimmend.

Und dann geht es wieder los, in einen Tag voller Unfreiheiten, die wir uns oft genug selbst wählen. Das beginnt schon bei dem, was wir besitzen. Dass viele von uns überhaupt schon so viel besitzen, ist eigentlich Teil einer selbstgewählten Unfreiheit. In ihrer einfachsten Ausprägung bedeutet diese nur, dass wir nach vielen Dingen schauen müssen, oft nach mehr Dingen, als wir eigentlich brauchen und nutzen. In der von vielen aber selbst gewählten Konsequenz binden wir uns an Banken an Kredite, an Besitztümer wie Häuser und Autos, deren Preis wir nur bezahlen konnten, weil wir bereit waren, einen Teil unserer Freiheit an eine Bank abzugeben.

Nun ist es richtig, dass gewisse Anschaffungen gar nicht ohne Kredit gehen, hat man nicht reich geerbt oder eine andere Freiheit aufgegeben. Nämlich die der Zeithoheit.

Wer Karriere machen will, wird früher oder später auch erkennen müssen, dass immer mehr Zeit investiert werden muss und Priorisierungen der „eigenen Zeit“ immer schwieriger werden.

Nicht falsch verstehen, es gibt IMMER Ausnahmen. Aber ich spreche über Dinge, die ich lange Jahre beobachtet und als für die Mehrheit von uns geltend identifiziert habe.

Auch im Alltag binden wir uns oft unreflektiert und recht unfrei an Rituale, nur weil man das eben so macht. Wir verbringen viel Zeit vor dem Fernseher, beklagen uns dann aber am nächsten Tag stets, wie schlecht doch wieder das Fernsehprogramm war. (Für mich habe ich da eine schöne Abhilfe gefunden. Ich schaue einfach nicht und blogge dann lieber. So ist auch dieser Text entstanden 😉 )

Viele sind in Vereinen, damit man Leute kennenlernt, oder weil man das eben so macht. Und manchmal frage ich mich, wie viele mehr da nicht drin wären, wenn sie sich nicht ganz unfrei von dem Gedanken leiten ließen, man müsse da ja drin sein, um in seinem Ort, seinem Freundeskreis anerkannt zu sein.

Wir lassen uns von den Medien Fitnessideale vorschreiben, binden uns an die Thesen sogenannter Experten, die aber jedes Jahr eine neue Sau durchs Fitness- Gesundheits- oder Schönheitsdorf treiben oder noch viel schlimmer, daherorakeln, was denn nun der letzte neueste beste Trend wäre.

Und wir vergleichen uns. Mit Models. Nachbarn, Kollegen, Fernsehstars und vergessen dabei nach und nach, dass wir auch eine eigene Seele, einen eigenen Charakter haben.

Wir lassen uns viel zu oft davon leiten, was „andere“ von uns denken. Sehr beliebt ist der stete Blick auf das Fremdbild, bei dem ich mich den Meinungen und Sichtweisen anderer aussetze (n muss). Nichts dagegen, wenn ich wüsste, dass jeder objektiv und frei von eigenen Zwängen und Werten urteilen würde. Dem ist oft aber nicht so. Und schon gar nicht wird in Betracht gezogen, wie meine Seele tickt, was für ein Typ Mensch ich bin oder was ich gerade in den letzten 12 Monaten erlebt habe.

Momentaufnahmen bestimmen über die Zukunft. Fehleindrücke, bedingt durch die eigene Geschichte haben da schon so manche Karriere, oder im gedämpfteren Maß Motivation getötet.

Und das verrückte an dieser Geschichte. Vieles davon ist selbst so gewollt. Denn sobald es in meiner Entscheidungshoheit liegt, die Situation zu verändern muss ich vor mir selbst auch akzeptieren, dass ich so manche Unfreiheit, die ich oft nicht als von mir bestimmt wahrnehme, selbst zu verantworten habe.

Vielleicht ist das eine Erkenntnis, die uns allen wieder gut täte. Zu klären, was wir tun, weil wir es wollen und was wir tun, weil man das nun mal so macht.

Früher war das oft sehr einfach zu klären, wenn man nur mal das Gegenteil zur Disposition stellte und dann vom Gegenüber zu hören bekam: „Ja, aber was sollen die Leute denken?“

Das ist heute bei weitem nicht mehr so einfach, denn durch wechselnde Berufe, wechselnde Wohnorte und immer schneller wechselnde Lebensumfelder ist es längst nicht mehr klar, wer eigentlich „die Leute“ sind, deren Denkmuster mein Leben beeinflussen könnten.

Aber das ist ja gerade die Chance. I am the best, fuck the rest. Wir sollten endlich wieder uns akzeptieren als Wesen, deren höchstes Streben Freiheit ist und die auch in einer Zeit leben, in der man die Freiheit ausleben kann in einem Ausmaß, wie es Generationen vor uns nicht konnten. Heute haben wir da ein anderes Problem.

Wir wollen oft nicht. Weil es anstrengt, weil es eigenständiges Denken verlangt. Und das ist in Zeiten von BILD und Privatfernsehen einfach für viele zu anstrengend geworden.

Ich vermute, mein Unverständnis über die weitgehende Ignoranz der Öffentlichkeit, was den Fall Snowden und die unsägliche Spionage der NSA und auch anderer Geheimdienste angeht, hängt vor allem eben mit dem oben dargestellten zusammen. Wir sagen zwar immer, wir halten Freiheit für das wichtigste Gut. Aber in Wirklichkeit ist es oft ein anderes, dem wir höchste Priorität schenken. Bequemlichkeit.