Ich wollte doch nie nett sein. Freud und Leid eines netten Kerls

An manche Dinge wird man erst durch seine Kinder wieder erinnert. Meine Frau und ich sind stolz auf unsere drei. Aber immer wieder erkenne ich in ihnen Wesenszüge, die  ich auch von mir kenne.

Vorneweg, nicht falsch verstehen, ich bin gerne „nett“ und hoffe auch, dass unsere Kinder weiterhin so „nett“ bleiben, wie sie es bislang sind.

Will sagen, sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, wenig Lust auf harten Wettkampf, versuchen meist den Schwächeren zu helfen und gehören nicht zu den „zentralen Rowdie Cliquen“ in ihrem Umfeld. Lehrer mögen Sie, Eltern die sie kenne mögen sie….. Na ja, ihr wisst, was ich meine.

So weit so gut.

Aber ich erinnere mich. Es war zwar den Erwachsenen früher sehr recht, dass ich ein „netter Kerl“ war, aber im täglichen Umgang mit Gleichaltrigen, da hatte ich immer so meine Probleme. Weil es immer irgendein „Arschlochkind“ gab, hinter dem meist auch noch „Arschlocheltern“ standen, die egal was das Kind anstellte, es verteidigten. Wurde mir von solche einem Kind etwas geklaut, nein unmöglich, das konnte nicht stimmen, das hatte ich mir nur eingebildet. Auch die Mädels damals fanden  mich alle supernett, mit mir konnte man über alles reden, ich war ein super Kumpel, aber als Freund, da suchten sie sich in schöner Regelmäßigkeit die fiesesten Typen aus, die sie ausnutzten und kamen dann zum Schluss verblüfft, unter Tränen zu mir, weil sie gar nicht verstehen konnten, wieso er so sein konnte. Und auch später war und bin ich immer hilfsbereit gewesen, bin es heute noch, gebe nicht mit meinen Leistungen an (frei nach dem Motto: Mit Kompetenz ist es wie mit Potenz, wer sie hat, spricht nicht darüber). Einfach ein (zu?) netter Kerl.

Und da denke ich im Moment drüber nach. Wir regen uns gerade wieder über bestimmte Promis auf, die Steuern hinterzogen haben, sich von einer Frau zur nächsten schlafen oder über Politiker, die ihren eigenen Vorteil und die Lobbies mehr achten, als den Bürger, ihren eigentlichen Auftraggeber.

Die effektiv negativen Aspekte sind natürlich, dass ich einfach nicht wirklich auf den Tisch hauen kann und den ungerechten, dummen, gemeinen Menschen die Meinung sagen. Dafür bin dann wieder zu nett. Aber ich persönlich kann damit leben, dass ich Kritik nur dann liefere, wenn ich damit niemand verletze. Viele andere sind so verletzend, wie ich es nie sein möchte.

Nur mal ganz ehrlich. Leben wir eigentlich wirklich in einer Gesellschaft, in der der nette, der ehrliche, der gute Mensch erfolgreich sein kann? Die Welt ist extrovertiert, auf Kampf fokusiert, auf Konkurrenz auf all jene Dinge, die eben nicht von einem netten Menschen  von ganzem Herzen geleistet werden können.

Denn die meisten großen Konzerne wollen doch Profit, nicht das Wohl des Kunden. Wer Karriere machen will, muss doch auch heute noch darauf gefasst sein, in einen oft brutalen Verdrängungswettkampf einzusteigen. Und wer glaubt, dass Politik, Werbung, die Medien ehrlich zu uns sind. Na ja…

Wir beschweren uns über die Betrüger, die Steuerhinterzieher, aber wer ist denn wirklich immer selbst im Alltag ehrlich? Warum ist es immer noch eine herausragende Story, wenn bei einem Unfall erste Hilfe geleistet wird, wenn ein verlorener Geldbeutel zurückgegeben wird oder Menschen in Krisen von ihrem Umfeld uneigennützig geholfen wird?

Gibt es wirklich irgendwo ein Umfeld, in dem der einfach nur „nette“ Mensch, der sein Talent zum Wohle anderer einsetzen will, ohne dabei gleich ausgenutzt zu werden, friedlich existieren kann?

Im Moment habe ich das Gefühl, wir alle sehen die Welt wie eine römische Gladiatorenarena. Und bereiten so auch unsere Kinder auf das Leben vor. Denk an dich selbst, pass auf, dass ein anderer dir nichts wegschnappt.

Wer nicht dauernd lauthals auf seine Leistungen hinweist, sich durch permanentes in den Vordergrund drängen sichtbar macht, wer einfach nur etwas herausragendes leisten will, der wird doch von denen überrollt, die meist weniger leisten, aber lauter darüber berichten, oft nicht ganz ehrlich zudem.

Das will ich aber nicht, das ist nicht das, was ich unter guter Erziehung verstehe. Vielleicht stimmt ja, was mir mal ein Twitterer geschrieben hat, und was ich mir immer wieder sage, wenn ich daran zweifle, ob  nette Kinder wirklich auch erfolgreich sein können.

Meine Aufgabe als Elternteil ist es, meinen Kindern immer genau die Herausforderungen zu bieten, an denen sie positiv wachsen können. Alles andere ergibt sich von selbst, denn ich bin nur der Bogen der den Pfeil abschießt. Danach sucht sich der Pfeil seinen Weg selbst.

Und der Weg, den ich mir persönlich für meine Kinder wünsche ist eben ein netter, ein guter, ein menschlicher Weg. Einige wenige Zeichen zeigen, dass es wohl noch andere Menschen gibt, die so denken. Und das ermutigt.