Weniger ist mehr. Neue Modelle der Arbeit jenseits von 9-17 Uhr

Es kommt nicht darauf an, wann, und wo ich arbeite, sondern was. Wissensarbeiter wissen das, wissen das auch die anderen?

Das Phänomen des Downshifting hat wieder mal ein Management Magazin entdeckt: CIO titelt: „Downshifter: Katastrophe für Firmen – 11 Arbeitstypen der Zukunft“.

Nun sollte man das ganze nicht gleich wirklich als Katastrophe sehen, sondern vielmehr als Chance. Als eine Möglichkeit, gerade die High-Performer, wie sie so schön im neudeutschen Managementsprech heißen, also die Leistungsträger zu halten. Denn diese sind immer weniger bereit, nur ihre Leistung bereitzustellen und dafür oft nur fremdgesteuert als Befehlsempfänger agieren.

Diese Leistungsträger sind zudem oft auch nicht bereit, sich in starre, traditionelle Machtgefüge einzubringen, in denen die Karriere oft durch Beziehungen und Sichtbarkeit bestimmt wird.

Sie wollen sich mit ihren Talenten verwirklichen, und da das in unserer starren, prozessorientierten und optimierten Zeit leider viel zu selten möglich ist (denn die meisten Prozesse werden optimiert, wo sie vielleicht besser ganz abgeschafft werden sollten, weil überflüssig), suchen sich diese Menschen ihre „Erfüllung“, ihre Bestätigung jenseits des 9-17 Uhr Jobs. Zumal sie in vielen Firmen auch noch in starre Korsette von Zeiterfassung und permanenter Leistungsrückmeldung gezwungen werden. Wir bewegen uns, ich wiederhole es immer wieder gerne, hin zu einer Gesellschaft von mehrheitlich Wissensarbeitern, und nur, weil es auch immer noch Handwerk und Dienstleistung gibt, den Wissensarbeitern ihre ganz eigenen Arbeitsweisen und Arbeitsmodelle abzusprechen, ist extrem kurzsichtig.  Gerade in der Wissensarbeit zählt nicht die Zeit, sondern das Ergebnis.
Dort ist oft wichtiger, effektiv das richtige zu tun, als die Dinge zwar richtig zu tun, aber nicht die richtigen, die zielführenden Dinge, sondern die, die man „schon immer so gemacht hat“.

Gerade in der heutigen aufs Messen von Leistung fixierten Gesellschaft, drohen genau jene auszubrennen, die für die Arbeit brennen, die was sie tun mit Freude und Leidenschaft tun. Die ständig wachsenden Burn Out Fälle sind für mich hier nur ein Indiz. Oft bleibt den Menschen nur die Wahl, sich entweder komplett aus dem verbrennenden Prozess oder Unternehmen auszuklinken, oder zum „Downshifter“ zu werden. Aber damit verlieren Unternehmen gerade die entscheidenden Know How Träger, und demotivieren durch immer höheren Druck, der oft zwar ausgehalten aber nicht abgebaut werden kann. Bis zum Punkt des Burn Out.

Wir sollten endlich einen Schritt zurück tun und die Geschwindigkeit der Arbeitswelt den Menschen anpassen, statt zu versuchen, die  Menschen immer schneller arbeiten zu lassen. In der Ruhe liegt die Kraft. Selten war es so wichtig, sich solche banalen aber richtigen Sinnsprüche immer wieder vor Augen zu führen, wie heutzutage, wo viele Menschen Gesundheit und Privatleben der immerwährenden Beschleunigung opfern.

Es ist weder das Internet, noch die Menge an Information, die die Menschen streßt. Es ist die Beschleunigung des Berufslebens, also dessen, woran die Existenz hängt. Mach mit oder fall raus. Dieses Credo gilt leider immer noch im ewig beschleunigenden Arbeitsleben. Und immer mehr fallen raus oder wenn sie die Erkenntnis rechtzeitig haben, klinken sich, z.B. durch Downshifting auf ihre Art aus dem idiotischen, unvernünftigen und krank machenden Hamsterrad aus. Sie mögen in den Unternehmen für die im alten Denken verhafteten als „Faulenzer“ als nicht an Karriere interessierte gelten. Sie sind aber die eigentlich intelligenten Mitarbeiter, weil sie für sich erkannt haben, dass Leistung auf Dauer nur geht, wenn die Flamme zwar brennt, aber nicht auf höchster Stufe.

Und hier steckt auch das, was mich eigentlich bewegt, mich mit den Arbeitsmodellen der Zukunft zu befassen. Ich erhoffe mir einen Trend zur Nachhaltigkeit, auch im Umgang mit der eigenen Arbeitskraft. Das kann aber letztendlich am besten nur dann funktionieren, wenn der Mitarbeiter Freiheitsgrade hat, wie sie heute für viele undenkbar sind. Ja, der Mitarbeiter muß Mitunternehmer werden. Aber er muß dann in Konsequenz auch mit sich selbst und seinen Ressourcen so haushalten lernen, dass er brennt, aber nicht verbrennt oder erlöscht.

Schwierig, aber kulturell denkbar, wenn wir Arbeit und Leistung in der Gesellschaft neu bewerten, wenn wir uns von der Leistung = Arbeit*Zeit verabschieden.