Alte und Behinderte, wer soll das bezahlen?

Eine wichtige Frage. Weil sie tief an der Menschlichkeit, an der Kultur unserer Gesellschaft ansetzt. Ich beobachte mit immer größerer Besorgnis eine sich individualisierende Gesellschaft, in der die Verantwortung füreinander scheinbar immer unwichtiger wird.

Die Inspiration zu diesem Artikel verdanke ich einer Kollegin, die zu Recht darauf hinwies, ob wir nicht auf eine Zwei-Klassen Gesellschaft zusteuern, die zwischen denen, die Technik verstehen und sich leisten können und „dem Rest“ unterscheidet.

Wir haben technisch wie kulturell die Möglichkeiten, sowohl ältere Menschen als auch Behinderte als VOLLWERTIGE Mitglieder der Gesellschaft zu sehen. Behinderung an sich ist nur eine Frage des Standpunktes. Für mich ist jeder Mensch gleich viel wert, unabhängig von Alter, Behinderung oder Geschlecht. Aber bezahlen wir Frauen wirklich gleich für gleiche Arbeit? Kann sich ein behinderter Mensch auf eine Stelle wirklich gleichberechtigt bewerben, wenn er dafür geeignet ist? Und habe ich als über 50 Jähriger wirklich noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt? Ja, die Politik will uns das suggerieren, aber im Alltag erlebe ich immer wieder das Gegenteil. Mein Arbeitgeber bietet für Behinderte entsprechende Möglichkeiten an, aber das ist eher die Ausnahme denn die Regel, sonst wären ja offensichtlich solche Initiativen wie wheelmap.org von Raul Krauthausen nicht notwendig.

Wir sollten eine sehr wichtige Diskussion endlich proaktiv führen. Wollen wir eine Gesellschaft, die weiterhin lediglich nach Rendite und Profitgesichtspunkten mit ihren Menschen „umgeht“?

Wollen wir eine Gesellschaft, in der der Umgang mit Krankheit und Alter immer eine Frage nach der Rendite, nach dem „lohnt sich das noch“ zu sein scheint?

Und wie wollen wir unseren Kindern ethische und moralische Werte vermitteln, wenn wir ihnen letztlich beibringen müssten: Sie zu, dass du das Gymnasium schaffst, und dann möglichst Investmentbroker oder Topmanager wirst, damit du genug Geld verdienst. Mal im Ernst, wer kann den, wenn er nicht wirklich nur nach moralischen Gesichtspunkten erzieht, seinen Kindern noch ernsthaft einen Beruf im Handwerk, der Gastronomie oder Gott bewahre als Krankenpfleger oder Altenpfleger empfehlen?

Und wie tief ist eine Gesellschaft eigentlich schon gesunken, in der die Politik aufheult, weil sich Großkonzerne über schrumpfende Profite beklagen, aber die wirklich wichtigen Berufsgruppen mit Hungerlöhnen abgespeist werden?

Das heutige Managergehalt ist an sich schon oft sehr zu hinterfragen. Stelle ich es dann aber noch gegen das Gehalt einer Krankenschwester oder eines Altenpflegers, dann kann ich mich nur noch fremdschämen.

Wir brauchen eine öffentliche Diskussion, die unsere Gesellschaft wieder weg von einer Kultur des Profitdiktats hin zu einer offenen, menschlichen und von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägten Gesellschaft führt. Und neue Beteiligungsmodelle, neue Diskussionsformen, und ja, auch hier wiederum betrachte ich auch Social Media als Chance, können, ja müssen diese Diskussion antriggern, wollen wir nicht bald noch aggressivere Protestformen auf den Straßen erleben.