Die Schule als Lernbüro. Warum wir ganz andere Modelle brauchen.

Vor kurzem hatte ich ja über die größten 10 Demotivationsmöglichkeiten gebloggt (ironisch, das will ich noch mal deutlich klarstellen). Aber dabei fel mir eines auf. Viele dieser Punkte konnte ich direkt aus meiner Erinnerung auch auf meine Erfahrung und die meiner damaligen Klassenkameraden mit der Institution Schule anwenden.
Letztlich war das ein Ort, in dem man unreflektiert Informationen an den Kopf geworfen bekam nach dem Motto erinnere dich oder fall durch, es wurde aber weder vermittelt, wofür im eigenen Leben diese Informationen nützlich sind noch wurde hinterfragt, ob man nur memorierte oder auch verstand. Letztlich war und ist auch heute noch oft das Ziel des Schülers, die Informationen bis zur nächsten Klassenarbeit, in der sie abgefragt werden zu memorieren um sie danach möglichst schnell wieder zu vergessen (bewusst oder einfach, weil man keine alltägliche Anwendung mehr dafür da ist).

Ich plädiere deshalb für einen anderen Ansatz. Wir sollten das Konzept des Büros auf die Schule anwenden. Keinerlei Frontalunterricht mehr (dieser wird ja jetzt bereits abgeschafft) sondern Lernprojekte. Die Schule muss wieder zum Lernort für Schüler werden. Hierfür müssen aber auch neue Medien, Technologien, wie sie im Büro zur Verfügung stehen und eine Offenheit UND Kompetenz im Umgang mit ihnen vorhanden sein. Kein Computer, kein Internet ersetzt die Reflektion mit dem Lerninhalt, die Auseinandersetzung zum Beispiel im Rahmen eines Projekts. Aber wenn wir unsere Kinder wirklich bilden wollen, dann sollten wir endlich bereit sein, sie auch als intelligente, lernwillige Wesen zu sehen. Jedes Mal, wenn ich im Rahmen der Berufsorientierung bei mir im Unternehmen wieder neue Schüler aus Realschule und Gymnasium erlebe, stelle ich fest, dass das Interesse meist sehr einfach zu wecken ist, wenn man den Alltag, das Leben der Schüler mit einbezieht und sie nicht nur rezipieren sondern auch direkt umsetzen lässt. Mit grosser Freude erlebe ich immer wieder, wie Schüler sich an das Zusammenbauen eines PCs machen, selbständig ein Betriebssystem (natürlich Linux) installieren und im Laufe dieses Prozesses oft auf überraschende und hochintelligente Fragen kommen. Und da für mich die Betreuung nicht mit dem Ende des Berufsorientierungstages aufhört, erhalten sie zumeist auch meine internetbasierten Kontaktdaten. Über diesen Weg erfahre ich dann später oft, dass die im Betrieb vorgestellten Themen
Warum denken wir Schule nicht wie ein Büro? Jeder Schüler ist „Mitarbeiter“ mit dem Ziel, den Jahrgang auf ein gewisses Wissensniveau zu heben. Die Lehrer sind quasi die Projektleiter, Coaches und für die schwächeren Schüler durchaus auch mal der Nachhilfelehrer, aber nicht mehr der unter Dauerstress stehende Vortragende, dem die Schüler lediglich mehr oder minder aufmerksam lauschen. Durch Umgang mit Büchern, mit dem Internet, durch das Erstellen von Präsentationen zu Themen oder der Arbeit an einem Projekt, das physikalische, chemische oder biologische Fragestellungen beantwortet wird quasi im Arbeitsprozess gelernt. Die neuen Ganztagsschulen bieten hier schon den zeitlichen Rahmen. Aber natürlich müssen wir uns auch im Klaren sein, dass wir nur in dem wir auch Geld in die Hand nehmen, in dem wir in die Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer und auch in ihre (nicht nur mediale) Ausrüstung investieren, es auch zu einer Verbesserung der Gesamtsituation führen wird. Wenn in Schulen immer noch mit Filmprojektoren gearbeitet werden muss, wenn Internet und neue Medien immer noch als Teufelswerk abgetan werden, dann werden wir früher oder später den (Bildungs-) anschluss ganz verlieren. Wir müssen Bildung neu denken. Oder eigentlich wieder ganz alt. Wir müssen Schülerinnen und Schüler wieder für das Leben vorbereiten. Und dazu reicht es nicht, wenn sie das Auswendig Lernen lernen. Dazu muss der Umgang mit Informationen, ihre Filterung, ihre Bewertung und die Umsetzung in den konkreten Alltag der Schülerinnen und Schüler im Fokus stehen.

Dann wird vor allem auch der Lern- und Versagensdruck genommen und ganz nebenbei die Teamarbeit, der faire Umgang auch mit Schwächeren und Fragestellungen wie Ethik und Moral erlernt, durch selbsttätiges Handeln der Schüler. So und nur so lässt sich die intrinsische Lernmotivation fördern. Extrinsische Motivation funktioniert schon im Berufsleben mehr schlecht als recht. Warum glauben wir dann noch ernsthaft, dass wir Lust am Lernen, Lust an Bildung durch extrinsische Motivation, oder direkter gesagt, durch Angst vor schlechten Noten, Angst vor Versagen fördern?

privat weiter ausgearbeitet wurden.

Update: Ich scheine durchaus nicht alleine mit diesen Ansichten zu sein. In der ZEIT-Online findet sich ein interessanter Artikel „Etwas Respekt, bitte“, der sich exakt mit diesen Thesen befasst. Die dort empfohlenen Bücher werde ich mir mal genauer ansehen.